Energiesicherheit: Reaktivierung der Kohlekraftwerke stellt Betreiber vor Probleme

Stand: 01.08.2022, 15:56 Uhr

Kohlekraftwerke sollen vorübergehend viele Gaskraftwerke ersetzen. Doch die Probleme der Kraftwerksbetreiber reichen von fehlendem Personal und zu geringen Kohlevorräten bis zu rechtlichen Hürden.

Zum Schutz der Gasreserven in Deutschland können bei einer Mangellage Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung wieder aus der Reserve genommen werden. Dies haben Bundestag und Bundesrat Mitte Juli beschlossen. Doch für die Kraftwerksbetreiber in NRW ist die vorübergehende Rückbesinnung auf die Kohle nicht ganz einfach.

Der Essener Kraftwerksbetreiber Steag kann nach eigenen Angaben über den Oktober 2022 hinaus zusätzlich rund 2.300 Megawatt Leistung zurück an den Markt bringen. Dazu müssten drei Steinkohlekraftwerke im nordrhein-westfälischen Bergkamen und im saarländischen Völklingen über die eigentlich geplante Stilllegung Ende Oktober hinaus weiter betrieben werden. Außerdem könnten zwei Kraftwerksblöcke im Saarland aus der Netzreserve zurückgeholt werden.

Zu wenig Schiffe, Waggons und Lokomotiven für Kohletransport

Herausforderungen sieht die Steag noch bei der ausreichenden Versorgung dieser Kraftwerke mit Kohle. "An den meisten Kraftwerksstandorten selbst reicht der Kohlevorrat derzeit nur etwa für eine Woche Volllastbetrieb aus", betonte das Unternehmen. Denn niemand habe mit dem steigenden Bedarf an Kohlestrom gerechnet.

Zwar habe die Steag Zugriff auf Steinkohlevorräte für etwa 30 Tage Volllastbetrieb der gesamten Kraftwerksflotte. Doch lagere die Kohle überwiegend in Rotterdam, und beim Transport zu den Kraftwerksstandorten gebe es einen Engpass. Denn auch die Logistikbranche habe sich auf den seit 2020 gesetzlich verankerten Kohleausstieg eingestellt und Transportkapazitäten für die Steinkohle entsprechend heruntergefahren. "Es fehlt derzeit an Binnenschiffen, Güterwaggons, Lokomotiven und Lokführern", so die Steag.

Planungssicherheit und Personal fehlen

Und das sei noch nicht alles. Steinkohle sei zwar am Weltmarkt ausreichend verfügbar. Doch fehle es aktuell für den Kraftwerksbetreiber an Planungssicherheit, weil die Verordnung zum Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG) noch nicht vorliege, auf deren Basis die Steag die künftigen Lieferverträge abschließen könne.

Auch Personal sei knapp: "Von den beiden Blöcken am Standort Völklingen-Fenne kann insbesondere wegen Engpässen beim Fachpersonal ab November zeitgleich immer nur ein Block betrieben werden", berichtete ein Steag-Sprecher.

RWE fährt Blöcke in Niederaußem und Neurath wieder an

Der Essener Stromriese RWE bereitet sich darauf vor, drei 300-Megawatt-Kraftwerksblöcke, die aktuell noch in der Sicherheitsbereitschaft sind, wieder anzufahren: Die Blöcke E und F des Braunkohlekraftwerks Niederaußem und den Block C des Braunkohlekraftwerks Neurath. Kohlemangel muss der Konzern wegen des benachbarten Braunkohletagebaus wohl nicht befürchten. Doch Personal-Engpässe gibt es auch hier.

"RWE Power wird ihre Personalplanung in Kraftwerken und Tagebauen an die neue Einsatzbereitschaft anpassen. Das umfasst mehrere Hundert Stellen", betonte das Unternehmen. Der höhere Personalbedarf soll nicht zuletzt dadurch gedeckt werden, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst später als bisher geplant in den vorgezogenen Ruhestand gehen. Weitere Stellen sollen durch die Einstellung von Ausgebildeten und durch Neueinstellungen von außen besetzt werden.

RWE-Kraftwerke innerhalb von zehn Tagen einsatzbereit

Aktuell seien die Kraftwerksblöcke mit einem Vorlauf von zehn Tagen einsatzbereit, um mehrere Tage Strom zu erzeugen, sobald sie bei einem Engpass in der deutschen Stromversorgung von der Bundesregierung angefordert würden, teilt ein Unternehmenssprecher Anfang August auf Anfrage des WDR mit. "Das ist bisher aber nicht geschehen."

Zudem werden an allen drei Kraftwerksblöcke laut RWE aktuell Wartungs- und Reparaturarbeiten durchgeführt, damit sie auch nach dem 1. Oktober weiterhin als Reserve genutzt werden und "auf Abruf der Bundesregierung auch längere, möglicherweise monatelange Einsätze fahren zu können".