Karneval: Et jeit widder loss

Stand: 10.11.2022, 21:04 Uhr

Millionen Jecken haben sich seit Monaten auf diesen Tag gefreut: Am heutigen 11.11. startet die Karnevalssession. Auch der legendäre Wagenbauer Jacques Tilly hofft auf einen richtigen Rosenmontagszug - endlich wieder.

Zwei Jahre lang lag der Karneval im Rheinland auf Eis - zum Leidwesen der Jecken, der Vereine und der Fans der Rosenmontagszüge. Für die am Freitag startenden Session wünschen sich viele eine Rückkehr zur Normalität. Auch der Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly. Seit 1984 baut der heute 61-Jährige seine legendären Wagen für den Düsseldorfer Rosenmontagszug. WDR5 hat ihn zum Interview bei der Arbeit in der Wagenbauhalle erwischt.

WDR: Herr Tilly, heute geht es wieder los.

Jacques Tilly: Es geht wieder los, nach zwei Jahren Pause, die für uns natürlich auch nicht erfreulich waren. Wir hoffen mal auf eine wunderbare Session - und dass ab jetzt alles wieder kollisionsfrei über die Bühne geht.

Der Düsseldorfer Zug steht schon - er kam ja nicht zum Einsatz die letzten zwei Jahre. Aber wir bauen gerade für andere Städte, die noch Bedarf haben - deshalb sind wir sehr beschäftigt. Und die politischen Wagen bauen wir ja sowieso erst gegen Ende - da mache ich mir erst ab Neujahr Gedanken.

WDR: Düsseldorf ist Exportstandort für Karnevalsgroßartikel?

Tilly: Nun ja, es gibt nicht so viele Karnevalswagenbauer, die das als Hauptberuf machen. Wenn die Vereine in NRW - zum Beispiel in Duisburg oder Krefeld - einen großen Prinzenwagen haben wollen, dann melden die sich bei uns. Auch für Trier und Berlin haben wir schon gebaut. Das ist gut, um die Corona-Zeit zu überbrücken.

Auf dem Wagen steht der Schriftzug "Ein Jahr nach der Flut". Darüber sind Affenfiguren, die sich Augen, Mund und Ohren zuhalten. Auf diesen steht "Politik", "Bürokratie" und "Versicherungen".

Kritik an der Politik: Tilly-Wagen zur Flutkatastrophe

WDR: Viele Karnevalsvereine haben schon vor Monaten gesagt: Wenn es jetzt nicht besser wird gerade mit dem Vorverkauf für die Sitzungen, dann sind wir kurz vor dem Ruin.

Tilly: Das ist sehr unterschiedlich. Einige sind gut betucht, auch weiterhin, andere sind kurz davor, das Licht auszuknipsen. Wenn dieses Jahr wieder ein Stopp von allem kommt, was mit Karneval zu tun hat, dann ist das wirklich das große Aus für den Karneval, wie wir ihn kennen.

WDR: Abgesagt wurde der Rosenmontagszug schon aus verschiedenen Gründen: Das Wetter, dann natürlich die Pandemie. In diesem Jahr werden viele sagen: Leute, in der Ukraine ist immer noch Krieg, da sterben Menschen. Wie könnt Ihr da so lustig sein?

Tilly: Seitdem ich Karnevalswagen baue, höre ich dieses Gejammer immer wieder. Es gibt nie eine Situation auf der Welt, wo man sagen kann "alles super, alles in Ordnung, wir können jetzt feiern". Der Karneval ist ja keine Schön-Wetter-Veranstaltung, wo man sagt, nur wenn die Weltlage es hergibt und ohne große Krisen und Probleme daher kommt, dann können wir feiern. Karneval ist Satire - und dafür da, den Oberen einmal im Jahr eins drüber zu geben. Und im Moment ist es wirklich eine hervorragende Zeit für Satire - so traurig das ist. Je schlechter die Zeiten, desto besser für Satiriker, das muss man leider sagen. Deshalb glaube ich, dass der Karneval bitter nötig ist.

WDR: Dann könne wir doch jetzt schon zumindest etwas zum Thema Inflation von Ihnen erwarten, oder?

Tilly: Wir verraten ja vorher nie, was wir machen. Rosenmontag geht das Tor auf, und dann fahren die Wagen raus. Aber klar: Die großen weltpolitischen Themen werden natürlich alle von uns aufgegriffen. Wir haben ja in Düsseldorf zwölf Wagen - da kann sich jeder ausrechnen, welches Thema vorkommen wird. Die großen Themen, die die Welt gerade bewegen, die versuchen wir natürlich, satirisch zu verwursten.

WDR: Legen Sie heute mal den Spachtel aus der Hand und gehen in die Kneipe, ein Alt trinken?

Tilly: Vormittags erstmal, ja, aber nachmittags hab ich wieder Termine. Das ist schon ein normaler Arbeitstag für mich, aber am Elften Elften lasse ich mir natürlich nicht nehmen, mir in Düsseldorf die Hoppeditzrede im Original reinzupfeifen.

Das Interview führte Uwe Schulz.

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