Französischer Minister Haddad: "Europa muss weniger naiv auftreten!" | Aktuelle Stunde

01:20 Min. Verfügbar bis 20.01.2027

Französischer Minister Haddad: "Europa muss weniger naiv auftreten!"

Stand: 20.01.2025, 16:04 Uhr

Donald Trump wird zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt. Er hat angekündigt vieles zu verändern, auf die Europäische Union und den Rest der Welt kommen vermutlich einschneidende Veränderungen zu. Der WDR hat dazu ein Interview mit dem französischen Europaminister Benjamin Haddad geführt, als dieser Aachen besuchte.

Mit der zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident kommen vermutlich einschneidende Veränderungen auf die Welt zu. Die Europäische Union wird sich darauf einstellen und vor allem bei der Verteidigung im Rahmen der NATO mehr Geld investieren müssen. Im WDR-Interview spricht der französische Europaminister Benjamin Haddad über die Rolle Europas und darüber, dass der neue Politikstil von Donald Trump für die EU Weckruf, aber auch Gelegenheit ist.

WDR: Ist die Europäische Union auf vier weitere Jahre mit dem US-Präsidenten Donald Trump vorbereitet?

Benjamin Haddad: Ich glaube, für Europa ist das ein Weckruf. Wir leben in einer Zeit, in der wir einen Krieg auf dem europäischen Kontinent sehen, Russlands Aggression gegen die Ukraine. Wir sehen den Druck, der von der neuen Trump-Administration kommen könnte, und mehr als je zuvor müssen wir in der Europäischen Union gemeinsam in unsere Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit investieren. Wir müssen auf der Weltbühne weniger naiv auftreten, um unsere Interessen zu vertreten.

Deswegen bin ich heute hier in Aachen mit meinem Freund Armin Laschet und spreche über die französisch-deutsche Freundschaft und die Notwendigkeit, Geschlossenheit zu zeigen und eine gemeinsame Agenda zu haben, ein gemeinsames Projekt, um Europa auf der Weltbühne stärker zu machen.

WDR: Ist die Europäische Union in der jetzigen Situation genug vereint oder zu sehr gespalten?

Haddad: Ich glaube, niemand hat von einem gespaltenen und uneinigen Europa Vorteile. Das ist allerdings das, was unsere Gegner hoffen. Wir sind viel stärker, wenn wir gemeinsam wirtschaftliche Themen in den Verhandlungen ansprechen. Wenn wir da bilateral handeln, sind wir alle schwächer. Wir haben also ein großes Interesse daran, vereint aufzutreten.

Deswegen müssen wir unseren Partnern in Europa zuhören und eine gemeinsame Agenda entwickeln. Das betrifft viele Themen: von der Verteidigung und Sicherheit über die Unterstützung der Ukraine bis zur Gestaltung gemeinsamer Handelsinstrumente. Und dabei sind wir stärker, wenn wir gemeinsam vorangehen.

WDR: Während der der ersten Amtszeit von Donald Trump haben Sie in den USA gearbeitet. Wie war Ihr Eindruck von Trump während seiner Präsidentschaft?

Donald Trump

Haddad: Viele Menschen in den Vereinigten Staaten und Europa haben versucht, die Entwicklung zu leugnen. Haben so getan, als sei die erste Amtszeit von Trump ein Unfall in der Geschichte, dass es sich um eine Pause handelt und wir nach vier Jahren der Trump-Administration zur Normalität zurückkehren würden. Aber die Wahrheit ist: Viele dieser Trends haben sich fortgesetzt: Protektionismus, die Abkehr von Europa, die zentrale Rolle der Rivalität mit China.

Wir müssen uns also mit diesen Trends auseinandersetzen: Das hat die Europäer dazu veranlasst, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, zum Beispiel in Sachen Verteidigung und Sicherheit viel selbstständiger zu werden. Die Amerikaner sind Verbündete, wir wollen mit den USA zusammenarbeiten. Präsident Macron hat in seiner ersten Amtszeit mit Präsident Trump zusammengearbeitet, und Präsident Trump war im Dezember zu Gast bei Freunden in Notre Dame, als er sich mit Präsident Selenskyj traf.

Wir alle haben ein Interesse daran, mit den USA zusammenzuarbeiten, aber wir müssen die langfristigen Trends sehen, die durch Donald Trump beschleunigt wurden. Das ist jetzt ein Moment, in dem Europa sein Schicksal selber in die Hand nehmen muss.

WDR: Wie werden die nächsten vier Jahre die Europäische Union verändern?

Haddad: Ich hoffe, es wird Europa besser machen. Ich glaube, das ist eine Gelegenheit. Wir haben erneut gesehen, dass wir zurückfallen, zum Beispiel bei künstlicher Intelligenz, Digitalem oder der Verteidigung. Wir müssen das als einen Moment sehen, in dem wir uns vereinen und unsere Ambitionen deutlich steigern.

Und deswegen müssen wir mit unseren Freunden in Deutschland zusammenarbeiten. Ich glaube, wir müssen deutlich an einer gemeinsamen Agenda arbeiten. und deswegen bin ich hier und feiere die französisch-deutsche Freundschaft. Und freue mich auf das, was wir gemeinsam gestalten können.

Unsere Quellen:

  • Interview mit dem französischen Europaminister Benjamin Haddad in Aachen

Über dieses Thema berichten wir am 20.01.2025 auch im WDR Fernsehen: Aktuellen Stunde, 18.45 Uhr.

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