Auf dem Höhepunkt der Energiekrise im vergangenen Jahr schauten viele Menschen gebannt darauf, wie voll die Gasspeicher im Land sind. Plötzlich schien es interessant zu sein, ob in den riesigen Anlagen genug Gas lagert, um für den anstehenden Winter vorbereitet zu sein. Der Worst Case blieb bekanntlich aus, es war stets genug Gas vorhanden.
Ein Jahr später scheint das Interesse an den Gasspeichern abgeflaut zu sein. Die Preise sind deutlich gesunken und die Energiekrise ist für viele weit weg - nicht nur wegen der sommerlichen Temperaturen im Moment. Doch im Hintergrund wird weiterhin daran gearbeitet, dass die Speicher für die kalten Monate wieder befüllt werden.
Gasspeicher schon gut gefüllt
Und offenbar scheint genau das zu klappen. Denn laut der zuständigen Bundesnetzagentur ist bereits die Marke von 90 Prozent geknackt. Am vergangenen Mittwoch - der derzeit aktuellsten vorliegenden Zahl - waren die Gasspeicher in Deutschland zu 90,18 Prozent gefüllt. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurde der Schwellenwert deutlich später am 18. September erreicht. In diesem Jahr gelingt das also über einen Monat eher. Und auch im Vergleich zu den Jahren davor sind die Speicher schon recht voll.
Doch woher kommt im Moment das Gas, mit dem die Speicher vollgepumpt werden und mit dem auch der derzeitige Verbrauch gedeckt wird? Laut Bundesnetzagentur sind die drei größten Importländer im Moment Norwegen, die Niederlande und Belgien. Hinzu kommen Lieferungen per Schiff über die neuen LNG-Terminals an den deutschen Küsten.
Die vergleichsweise gut gefüllten Gasspeicher sind zunächst einmal eine gute Nachricht. Denn: Sie gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit ein Puffersystem. Im Winter nehmen die Füllstände üblicherweise ab, nach dem Ende der Heizperiode wieder zu. Je mehr Gas in den Speichern drin ist, desto größer ist der Puffer.
Wie lange der genau im Ernstfall hält, lässt sich nicht genau beziffern. Das hängt von vielen Faktoren ab: Wie kalt ist es? Wie hoch ist dadurch der Verbrauch? Wie viel wird eingespart? Nach früheren Angaben der Bundesregierung reicht die Menge des gelagerten Erdgases bei einem Füllstand von 100 Prozent für den Verbrauch von zwei bis drei durchschnittlich kalten Wintermonaten.
Noch keine volle Entwarnung
Klaus Müller sieht weiterhin "Restrisiken"
Die jetzt schon gut gefüllten Speicher sind nach Einschätzung von Experten aber kein Grund, den Gasverbrauch in den kommenden Monaten komplett aus den Augen zu lassen. So sagt der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, für eine vollständige Entwarnung sei es "verfrüht". "Es bleiben Restrisiken", sagte er am Wochenende der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Dazu zähle ein sehr kalter Winter in Europa. Der vergangene Winter war zum Beispiel nicht ungewöhnlich kalt. Sollte sich das in diesem Jahr ändern, würde automatisch der Gasverbrauch steigen.
Zudem warnt Müller von weiteren Risikofaktoren: "Russlands Präsident Wladimir Putin könnte auch den Gashahn für Südosteuropa zudrehen. Zuletzt bleiben Anschläge auf Pipelines als Horrorszenario." Auch das könnte also dazu führen, dass die Speicher überdurchschnittlich stark angezapft werden müssen und schneller leer gehen als sonst. Muss also wieder gezittert werden um die Gasversorgung? "Wir werden jedenfalls abermals zum Sparen und achtsamen Umgang mit Gas aufrufen, wenn die Heizsaison naht", sagt Müller.
Ähnlich sieht das Veronika Grimm, die Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist. Auch sie warnt, bei der Gasversorgung könne es durchaus wieder eng werden. "Es gibt ja noch Länder in Europa, die russisches Gas beziehen, und wenn die Versorgung eingestellt würde, müssen wir zu Hilfe eilen", sagte die Ökonomin den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Idealerweise werde die Bevölkerung "ähnlich sensibilisiert wie im letzten Jahr - und heizt dann auch sparsamer".
Gespart wird weiterhin
Doch sind die Appelle überhaupt nötig oder wird eh weiterhin gespart? Die Zahlen der Bundesnetzagentur zeigen, dass auch in den vergangenen Monaten weniger Gas verbraucht wurde und angesichts der inzwischen gesunkenen Preise nicht wieder hemmungslos der Gashahn aufgedreht wird. Sowohl bei den privaten Haushalten und Gewerbekunden als auch in der Industrie lagen die Verbräuche regelmäßig unter dem Wert vom vergangenen Jahr und denen davor.
Mit Material der Agenturen AFP und dpa.