Friedensnobelpreises 2023 für Narges Mohammadi
Aktuelle Stunde. 10.12.2023. Verfügbar bis 10.12.2025. WDR. Von Bamdad Esmaili.
Friedensnobelpreis: Preisträgerin Mohammadi und Kölner Aktivistin im selben Gefängnis
Stand: 10.12.2023, 20:15 Uhr
Die iranische Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi ist am Sonntag mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. In Oslo abholen konnte sie ihn nicht. Sie sitzt in Teheran im Gefängnis - wie auch eine Kölner Aktivistin.
Den Friedensnobelpreis haben Mohammadis in Frankreich lebende Kinder entgegengenommen. Die 17-jährige Kiana Rahman und ihr Zwillingsbruder Ali hielten auch die Nobelpreisrede für ihre inhaftierte Mutter. Die 51-Jährige bekam die renommierte Auszeichnung "für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Einsatz für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle". Für Mohammadi stand symbolisch ein leerer Stuhl auf der Bühne.
Mohammadi spielt eine zentrale Rolle im Kampf für Frauenrechte und Meinungsfreiheit in ihrem Land. Für das Nobelkomitee ist sie eine Heldin - für ihr Heimatland ist sie eine Verbrecherin. Immer wieder wurde die 51-Jährige im Iran wegen ihres Engagements seit 1998 inhaftiert und auch ausgepeitscht.
Der Friedensnobelpreis wird seit 1901 vergeben - er ist benannt nach Alfred Nobel, dem Erfinder des Dynamits. Der Preis gilt als wichtigste politische Auszeichnung für besondere Verdienste in der Friedensarbeit.
Gegen Kopftuchzwang und die Todesstrafe
Narges Mohammadi ist gegen Kopftuchzwang
Narges Mohammadi kämpft seit mehr als 20 Jahren gegen die Unterdrückung von Frauen, gegen diktatorische Regime und gegen Menschenrechtsverletzungen weltweit. Sie setzt sich zum Beispiel gegen den Kopftuchzwang sowie gegen die Todesstrafe im Iran ein.
Seit November 2021 ist sie wegen "Propaganda gegen den Staat" im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis in Haft. In einem ARD-Interview sprach sie kurz vor der Preisverleihung über die Bedeutung von Menschenrechten weltweit als Voraussetzung für Frieden, aber auch über Folter im Gefängnis.
Die Angst in der Einzelhaft
Mehrfach, berichtet sie, sei sie in Isolationshaft gewesen, eingesperrt in eine zwei mal drei Meter kleine, permanent erleuchtete Zelle, häufig ohne Tageslicht. "In der Zelle spürte ich nur Angst, Schrecken und Unsicherheit. Die Einzelzelle war für mich ein unbekanntes Phänomen, ich war völlig verwirrt und fassungslos. Die Verhöre bestanden nur aus Drohungen, es gab keine normalen Gespräche oder Worte."
Laut Nobelkomitee wurde sie 13-mal verhaftet und fünfmal zu insgesamt 31 Jahren Haft und 154 Peitschenhieben verurteilt. Bamdad Esmaili ist Journalist bei WDRforyou und recherchiert zu den Protesten und Menschenrechtsverletzungen im Iran. Er sagt: Bei Recherchen zu einem Beitrag über Narges Mohammadi sei ihm nochmal klar geworden, wie stark sie ist. Narges Mohammadi habe ihren Job als Ingenieurin verloren und ihre Familie - ihre Kinder habe sie seit acht Jahren nicht gesehen. Dennoch nehme sie alles in Kauf und sage: "Ich bin geboren, um für Menschenrechte zu kämpfen."
Mit einer Kölnerin im Hochsicherheitsgefängnis
Im selben Hochsicherheitsgefängnis wie die Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi sitzt eine Kölnerin in Haft: die Architektin Nahid Taghavi (67), auch sie ist eine gebürtige Iranerin. Auch der Grund für die Haft ist ein ähnlicher: Sie setzte sich für Menschenrechte und besonders Frauenrechte im Iran ein und wurde dafür bestraft. Im August 2021, so erzählt es ihre Tochter, sei sie bei einem Besuch in der alten Heimat wegen angeblicher Propaganda verhaftet und zu mehr als zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Mutter leide gesundheitlich sehr unter der Haft, sagte ihre Tochter dem WDR.
Um auf das Schicksal der Kölnerin aufmerksam zu machen, laufen bzw. liefen Spielerinnen und Spieler des 1. FC Köln dieses Wochenende bei Bundesligaspielen in einem Sondertrikot auf. Es hat die Aufschrift "#ZesammeFürMenschen". Mit der Aktion fordert der FC zusammen mit Amnesty International Menschenrechte zu achten, und Nahid Taghavi freizulassen.
Kölnerin in Oslo bei der Preisverleihung dabei
Nahid Taghavis Tochter Mariam Claren ist dieses Wochenende aber nicht im Stadion dabei, wenn der FC das besondere Trikot für ihre Mutter trägt. Sie gehöre zu einer Delegation von etwa 20 Personen, die die Preisträgerin Narges persönlich eingeladen hatte, nach Oslo zur Preisverleihung zu fahren, sagte Mariam Claren in einem Interview mit dem WDR.
Als Friedensnobelpreisträgerin folgt Narges Mohammadi auf den Rechtsanwalt Ales Bjaljazki aus Belarus, die Menschenrechtsorganisation Memorial aus Russland und das Zentrum für bürgerliche Freiheiten aus der Ukraine. Sie hatten die Auszeichnung im vergangenen Jahr bekommen und wurden für ihren jahrelangen Kampf gegen die Verletzung bürgerlicher Rechte ausgezeichnet.
Preisträger nicht immer unumstritten
Die Auszeichnung durch den Friedensnobelpreis ist nicht immer unumstritten: 2019 erhielt der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed den Friedensnobelpreis für seine Aussöhnungspolitik im Nachbarland Eritrea. Ein Jahr später bricht in Äthiopien ein Bürgerkrieg aus, an dessen Entstehung Abiy Ahmed maßgeblich beteiligt ist. Auch für die Auszeichnung Barack Obamas gab es damals Kritik.
Für Narges Mohammadi bedeutet der Preis viel - auch weil er ihr und ihren Themen Aufmerksamkeit bringt. Aktuell befindet sie sich in einem mehrtägigen Hungerstreik, heißt es. Sie wolle damit "Solidarität mit der religiösen Minderheit" der Bahai zeigen, sagten ihr Bruder Hamidreza Mohammadi und ihr Mann Taghi Rahmani am Samstag vor Journalisten in Oslo.
Am Tag der Menschenrechte in den Hungerstreik
Der WDR-Journalist Bamdad Esmaili sagt: Der Preis werde auch dafür sorgen, dass die ganze Welt nochmal auf die Ungerechtigkeiten und Menschenrechtsverletzungen im Iran schaut. "Allein die Tatsache, dass Narges Mohammadi heute, am Tag der Menschenrechte, noch mal in den Hungerstreik getreten ist, wird dafür sorgen, dass die Menschen auf der Welt sehen, in was für eine Situation die Iranerinnen und Iraner leben."
Unsere Quellen
- Recherchen und Interviews des WDR und der ARD
- Informationen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte