Expert:innen bewerten Klimaschutzmaßnahmen
WDR aktuell. 22.08.2023. 09:29 Min.. Verfügbar bis 22.08.2025. WDR. Von Stefan Wittke.
Expertenrat: Bundesregierung tut zu wenig für den Klimaschutz
Stand: 22.08.2023, 14:10 Uhr
Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung ist deutlich weniger effektiv als erwartet. Laut dem Expertenrat für Klimafragen sinke der Co2-Ausstoß deutlich langsamer als geplant.
Von Moritz Börner
Eigentlich soll der deutsche Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Ende des Jahrzehnts um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken, so steht es im Klimaschutzgesetz. Der Expertenrat für Klimafragen glaubt aber, dass das mit den aktuellen Bemühungen der Bundesregierung nicht erreicht werden kann.
Umwelt- und Klimaschutzorganisationen kritisierten die Klimapolitik der Regierung als gesetzeswidrig. Klimaminister Robert Habeck (Grüne) räumte ein, dass weitere Anstrengungen erforderlich seien. Er hatte bereits im Juni erklärt, die Klimaschutzlücke bei den Emissionen werde zwar weiter geschlossen, aber nur bis zu etwa 80 Prozent.
"Unzuverlässige Datenlage"
Das fünfköpfige Gremium des Expertenrats ist der Ansicht, dass die Bundesregierung den Rückgang der Emissionen zu optimistisch berechnet. So würden für die Kalkulationen Daten als Grundlage verwendet, die nicht zuverlässig genug sind. Den Berechnungen des Expertenrats zufolge wäre der Rückgang an Treibhausgas-Emissionen nicht ausreichend, selbst wenn sämtliche von der Regierung geplante Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden.
Eine Kritik, die viele Fachleute teilen. So etwa auch Verkehrsexperte Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen: "Es gibt tatsächlich keine konsistente Datengrundlage für die Bundesregierung, es gibt verschiedenen Quellen - das Verkehrsministerium und das Wirtschaftsministerium - aber die Ergebnisse dort unterscheiden sich sehr stark", so Schreckenberg. Hier müsse man untersuchen, unter welchen Annahmen die Aussagen getroffen wurden. Sie seien "zum Teil recht willkürlich" und dienten nur dazu, "ein ins Auge gefasstes Ziel zu erreichen".
Im Bereich Verkehr läuft es besonders schlecht
Besonders in den Bereichen Verkehr und Gebäude macht die Bundesregierung nach Ansicht der Experten ihre Hausaufgaben nicht. Im Bereich Verkehr werden demnach in diesem Jahrzehnt mindestens 117 Megatonnen CO2 zu viel ausgestoßen.
"Im Verkehrssektor sehen wir optimistische Annahmen beispielsweise bezüglich der Umsetzungsgeschwindigkeit und Finanzierung der Maßnahmen sowie bei der Bewältigung von Umsetzungshemmnissen", sagt der Vorsitzende des Expertenrats, Hans-Martin Henning. Mit anderen Worten: Die Verkehrswende kommt zu langsam voran, zu wenige Menschen lassen zum Beispiel die Autos stehen und nutzen den ÖPNV.
Umweltschutzorganisation: Autobahnausbau ist das falsche Signal
Was also kann getan werden? Kai Bergmann von der Umweltorganisation Germanwatch sieht gerade mit Blick auf Nordrhein-Westfalen schwerwiegende Fehlentscheidungen der Bundesregierung. Die hatte zuletzt einen Ausbau des Autobahnnetzes beschlossen. "Die bisherige Bundespolitik war immer, dass man gesagt hat, mehr Straßen, das führt zu mehr Entlastung", sagt der Politikwissenschaftler, "aber das ist der falsche Anreiz, der individualisierte Verkehr wird mehr."
Die Bundesregierung solle den ÖPNV mit mehr Geld systematisch ausbauen, so Bergmann von Germanwatch. Dazu zähle unter anderem eine gesicherte Finanzierung des Deutschlandtickets für die kommenden Jahre und neue Fahrzeuge, um zu verhindern, dass Busse und Bahnen überfüllt sind. Andere Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe etwa fordern ein Tempolimit.
Vergünstigte Kredite für Hausbesitzer
Auch bei den Gebäuden, die dem Bericht des Expertenrates zufolge weiterhin für einen Großteil der Treibhausgas - Emissionen verantwortlich sind, sehen Umweltschutzorganisationen gute Möglichkeiten die Sanierung deutlich schneller voran zu treiben. Sie fordern vergünstigte Kredite mit denen Eigenheimbesitzer ihre Häuser sanieren und Wärmepumpen einbauen können.