Essen und Trinken to go: Sollen Verkäufer Verpackungssteuer zahlen?
Stand: 25.05.2023, 20:04 Uhr
Im Kampf gegen Müllberge durch Einweggeschirr hat Tübingen eine Steuer auf solche Verpackungen eingeführt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Abgabe als rechtens bewertet. Einige NRW-Städte wollen jetzt nachziehen.
Von Nina Magoley
Ein Kaffee to go, Pommes in der Pappschachtel, der Burger in Styropor eingepackt: Essen und Getränke auf die Hand machen das Leben in vielen Momenten angenehm - zurück aber bleiben Berge von Müll.
Die Stadt Tübingen wollte das so nicht länger hinnehmen. Seit Anfang 2022 sind dort je 50 Cent für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 20 Cent für Einwegbesteck fällig, höchstens aber 1,50 Euro. Zahlen müssen diesen Obolus die Verkäufer der Speisen und Getränke: Bäckereien, Burgerketten, Dönerläden beispielsweise. In Tübingen betrifft das nach Angaben der Stadt rund 440 Betriebe.
McDonald's hatte gegen die Steuer geklagt
Klagte gegen die Steuern: McDonalds
Dagegen hatte die Betreiberin einer McDonald’s Filiale geklagt und in erster Instanz auch gewonnen. Das Bundesverwaltungsgericht aber gab am Mittwoch der Stadt Tübingen Recht: Das Abfallrecht lasse diese lokale Steuer zu - zumal Mahlzeiten zum Mitnehmen meist sehr bald gegessen würden, die Verpackungen also "typischerweise" im Gemeindegebiet blieben, so das Gericht. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) sprach von einem "tollen Tag für Tübingen und für den Klimaschutz".
Die Deutsche Umwelthilfe nennt die Tübinger Geschichte ein "Erfolgsmodell": Die Vermüllung des öffentlichen Raumes habe dort deutlich abgenommen, sagte DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Bislang hätten sich andere Kommunen wegen der McDonald's-Klage in ihrem Engagement gegen die Müllflut zurückgehalten. Doch nach dem Urteil am Mittwoch hätten sie endlich Rechtssicherheit.
Skepsis beim Städte- und Gemeindebund
Der Städte- und Gemeindebund NRW ist sich da gar nicht so sicher: Man gehe davon aus, "dass sich die Kommunen mit der Einführung einer Verpackungssteuer zurückhalten, weil das Urteil neue rechtliche Fragen aufwirft", sagte ein Sprecher auf Nachfrage. Er verwies außerdem auf die Tatsache, dass McDonald's angekündigt hat, nun eine Verfassungsbeschwerde zu prüfen.
Nach einer Umfrage der DUH gibt es in NRW einige Städte, die sich bereits positiv zur Idee einer Verpackungssteuer geäußert haben. Darunter Arnsberg, Bielefeld, Bergkamen, Brühl, Eschweiler, Gütersloh, Lünen, Oberhausen, Paderborn, Sankt Augustin, Viersen, Willich und Wuppertal.
Geprüft und abgelehnt hätten das Thema die NRW-Städte Duisburg, Herford, Erftstadt, Euskirchen, Mönchengladbach.
Mönchengladbach will To-Go-Steuer doch noch prüfen
Müllberge: alles "to-go"
Aus Mönchengladbach war auf WDR-Anfrage am Donnerstag zu hören, dass die Ablehnung bislang auf der aktuellen Rechtslage basiert habe, "die eine entsprechende Einführung als nicht zulässig bewertete". Vor dem Hintergrund des neuen Urteils am Bundesverfassungsgericht wäre die Einführung der Einweg-Verpackungssteuer aber jetzt "in einem weiteren Schritt neu zu prüfen und zu bewerten", sagte ein Sprecher.
In Euskirchen verweist ein Stadtsprecher auf den Rat des Städte- und Gemeindebunds, zunächst eine Prüfung des Urteils vom Bundesverwaltungsgericht abzuwarten. Bis dahin wolle Euskirchen von einer Verpackungssteuer absehen.
In Dortmund, Düsseldorf und Stolberg dagegen will man jetzt prüfen, ob eine örtliche Verbrauchssteuer auf To-go-Einwegverpackungen erhoben werden könnte.
Unterschiedlich hohe Steuern je Kommune?
Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) sagt auf Nachfrage, eine kommunalen Verpackungssteuer sei grundsätzlich ein "wirksames weiteres Instrument der Kommunen gegen die Vermüllung der Umwelt durch Einwegverpackungen". Ein Problem sei allerdings, dass es Kommunen mit und ohne Steuersatzung gebe. Daraus ergäben sich unterschiedliche Steuersätze auch für Einwegverpackung.
Der VKU "wünsche" sich daher von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) einen Dialog mit Ländern und Kommunen über einen "Anti-Littering-Fonds", in den unter anderem die Hersteller von Einwegkunststoffprodukten einzahlen sollen. Kommunen würden damit bei ihren Reinigungs- und Entsorgungskosten unterstützt.
Einzelhandel wehrt sich
Entschieden gegen eine Verpackungssteuer ist der Handelsverband, der eben jene Verkäufer vertritt, die die Abgaben bezahlen müssen. Gerade im Bereich der Verpackungsreduktion seien die Händler "umfassend engagiert". So hätten die Händler beispielsweise in reiner Selbstverpflichtung Plastiktüten schon lange vor der gesetzlichen Pflicht aus dem Sortiment genommen.
Der Verband weist auch darauf hin, dass ab 2024 ohnehin die Hersteller von Einwegkunststoffprodukten eine Abgabe dafür leisten müssen. Außerdem sei eine europäische Verpackungsordnung auf dem Weg, die weitere Vorgaben zur nachhaltigen Verpackungsgestaltung machen soll. "All diese Vorhaben werden die Unternehmen massiv fordern und finanziell belasten."
Verpackungssteuer gab es schon einmal in NRW
Die Idee ist übrigens gar nicht neu: Mitte der 1990er Jahre hatten knapp 50 Städte und Gemeinden in Deutschland bereits schon einmal eine kommunale Verpackungssteuer eingeführt, davon 20 in NRW. Je Einwegverpackung waren damals zwischen 10 und 50 Pfennig fällig. Im Mai 1998 hatte das Bundesverfassungsgericht dann aber entschieden, dass Gemeinden nicht berechtigt seien, eine Verpackungssteuer zu erheben. Der Städte- und Gemeindebund hatte diese Entscheidung damals bedauert: Die Steuer sei "ein wichtiges Instrument zur Vermeidung von unnötigem Verpackungsmüll", hieß es dort schon vor 25 Jahren.