Digitaltrends 2023: KI, Metaverse und digitale Identitäten
Stand: 31.12.2022, 06:00 Uhr
"Künstliche Intelligenz" (KI) ist auch 2023 weiter auf dem Vormarsch – und könnte sogar in unsere Einkaufswelten einziehen. WDR-Digitalexperte Jörg Schieb stellt die wichtigsten Digitaltrends für das neue Jahr vor.
"Künstliche Intelligenz" (KI) war lange ein Gebiet, mit dem sich nur Wissenschaftler und Experten beschäftigt haben. Doch in den letzten Monaten wurden die Sozialen Netzwerke überflutet mit Bildern, Fotos und sogar Videos, die mit Hilfe von KI erstellt werden. Moderne KI-Apps wie "Wonder" oder "Lensa" erzeugen auf Knopfdruck Bilder, die wie Kunstwerke aussehen.
Damit ist KI in der Popkultur angekommen – und dieser Trend setzt sich 2023 weiter fort.
Wenn KI wie GPT-3 automatisch Texte erzeugt
Künstliche Intelligenz birgt zweifellos enorme Chancen - aber auch Risiken. 2023 wird das Jahr sein, sagen Experten, in dem Künstliche Intelligenz sehr viel stärker als bisher in viele Bereiche unseres Lebens eindringt.
Das neue "Hot" sind KI-Chat-Bots wie "GPT-3". Mit solchen Systemen, entwickelt von Unternehmen wie OpenAI, an dem auch Elon Musk und Microsoft beteiligt sind, ist es möglich, einigermaßen "intelligente" Dialoge zu führen. Mehr als das: GPT-3 und ähnliche KI-Systeme erstellen auf Knopfdruck Artikel, Songs, Lyrik, Manuskripte, Hausaufgaben - im Prinzip Texte jeder Art.
Es wird nicht mehr lange auf sich warten lassen, und die Menschen werden überflutet mit "Spaß"-Apps, die in Sekunden Texte für jeden Bedarf erstellen (wie in den letzten Monaten mit Apps, die Bilder erzeugen).
Für die Gesellschaft eine Herausforderung, denn sie muss in immer mehr Bereichen unterscheiden lernen: Was ist echt – und was kommt von einer KI? Und welchen Unterschied macht es eigentlich? Solche KI-Anwendungen haben Einfluss auf viele kreative Berufsfelder, können sie teilweise sogar zerstören. Auch darüber werden Debatten zu erwarten sein.
Wenn KI uns beim Einkaufen beobachtet
Branchenkenner sehen ein weiteres Einsatzfeld für KI kommen: Überall dort, wo wir einkaufen. Es gibt schon einzelne Shops, da müssen Kunden nicht mehr zur Kasse und die gekauften Waren scannen. Denn Kameras überwachen jede Aktion, die Systeme "wissen", was in den Warenkorb gelegt und was wieder herausgenommen wurde.
Die Kunden können ganz ohne Kontakt zu kassierendem Personal den Laden verlassen. Die Kreditkarte wird automatisch belastet. Solche Einkaufswelten werden auch zunehmend hier in Deutschland erwartet.
Morgendämmerung fürs Metaverse
Apropos künstliche Welten: Auch das Metaverse wird in 2023 eine größere Rolle spielen. Wer ins Metaverse will, setzt sich eine VR-Brille auf und kann dann in komplett virtuelle Welten abtauchen. Das eignet sich zum Arbeiten – oder zum Spielen. Beides kann in bestimmten Fällen reizvoll oder sogar sinnvoll sein.
Mark Zuckerberg setzt voll auf das Metaverse, macht die Zukunft seines Unternehmens regelrecht davon abhängig – und bombardiert uns schon länger mit Anzeigen und Werbespots, auch im Fernsehen. Viele Hersteller und Unternehmen machen sich deshalb schon Gedanken: Wie können wir von Anfang an dabei sein? Denn niemand will einen großen Trend verpassen.
Regeln: Sexuelle Belästigung und Gewalt im Metaverse
Es gibt zweifellos sinnvolle Einsatzgebiete. Und es kann auch Spaß machen im Metaverse. Aber: Man braucht teure Hardware dafür. Und schnelles Internet. Das sind schon erhebliche Einstiegshürden. Und das Metaverse stellt auch alles auf den Kopf: Wer hat das Sagen dort? Wem gehören die virtuellen Welten? Welche Regeln sollen dort gelten, wenn neue öffentliche Plätze entstehen?
So hat es zum Beispiel schon Fälle von sexueller Belästigung gegeben – im Metaverse. Wie damit umgehen? Was ist, wenn jemand virtuelle Gegenstände zerdeppert? Vandalismus gibt es auch im Metaverse. In der virtuellen Welt ist so ziemlich alles denkbar und machbar.
Doch das muss geregelt sein. Auch juristisch. Die Politik wird sich mit solchen Fragen beschäftigen müssen. Hätte sie schon längst machen können - aber jetzt wird es allerhöchste Zeit dafür.
Digitale Identitäten und Digitalisierung des Gesundheitswesens
Mehr Digitalisierung wird es aber auch in der Verwaltung geben. Während in Estland jeder Bürger schon bei der Geburt automatisch eine digitale Identität zugewiesen bekommt und praktisch alle Behördengänge online erledigen kann, und das bequem und rechtssicher, müssen Bürger hierzulande auf dem Amt noch Märkchen ziehen.
Doch die EU hat beschlossen, eine Art "digitalen Pass" einzuführen. Das wird sich zwar noch hinziehen, aber in 2023 werden die ersten Dienste eingeführt. Die neue "EU Digital Identity Wallet" soll ab September 2023 dafür sorgen, die eigene Identität innerhalb von Sekunden mit einer App nachzuweisen, die überall in der EU funktioniert und anerkannt ist.
Auch im Bereich Gesundheit soll eine Menge in Bewegung kommen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat ein Digitalgesetz angekündigt, das in 2023 den Gesundheitsbetrieb digitalisieren soll - längst überfällig.
Wir dürfen uns also auf eine Menge Neuerungen und Veränderungen einstellen: mehr KI, bunte virtuelle Welten – und vielleicht digitalere Prozesse in Verwaltung und Gesundheitswesen.
Über den Autor
WDR-Digitalexperte Jörg Schieb
Jörg Schieb, Jahrgang 1964, ist WDR-Digitalexperte und Autor von 130 Fachbüchern und Ratgebern. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unseren Alltag.