Goldene Palme in Cannes für Drama mit Sandra Hüller
Stand: 28.05.2023, 11:51 Uhr
"Anatomy of a Fall" hat bei den 76. Filmfestspielen von Cannes die Goldene Palme gewonnen. Der Triumph für das französische Drama ist auch ein deutscher Teilerfolg: Die Hauptrolle spielt Sandra Hüller -eine Darstellerin, die auch am Schauspielhaus Bochum engagiert ist.
Die Goldene Palme geht an eine Französin, doch auch eine Deutsche steht nach der Preisverleihung der Filmfestspiele Cannes im Fokus: Sandra Hüller - bekannt aus der vor sieben Jahren ebenfalls in Cannes frenetisch gefeierten Komödie "Toni Erdmann".
Sandra Hüller gleich in zwei internationalen Filmen vertreten
Sandra Hüller als Ines und Peter Simonischek als Winfried/Toni in einer Szene von "Toni Erdmann".
Für die 45-Jährige ist es ein Déjà-Vu an der Croisette. Sandra Hüller spielt gleich in zwei prämierten Filmen die Hauptrolle: In dem Drama und Cannes-Gewinner "Anatomy of a Fall" von Regisseurin Justine Triet - und in "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer, der mit dem Großen Preis der Jury den zweitwichtigsten Preis des Festivals erhielt.
Viel Lob für Hüllers "außergewöhnliche" Schauspielleistung
Ihre Leistung in beiden Filmen sei außergewöhnlich, sagte Glazer: "Sie sollten eine eigene Kategorie für Sandra Hüller erfinden." Die im thüringischen Suhl geborene Schauspielerin selbst sagte nach der Preisverleihung: "Es war ein sehr freudiger Moment, zwei freudige Momente im Publikum, als wir realisierten, dass wir gewonnen haben."
Cannes-Gewinner: "Anatomy of a Fall" von Justine Triet
Mit "Anatomy of a Fall" der Französin Justine Triet ging der Hauptpreis an ein komplexes Drama. Der Film spielt zum Teil in einem Gerichtssaal. Im Fokus steht die Schriftstellerin Sandra, gespielt von Hüller. Sie wird angeklagt, ihren Mann im gemeinsamen Haus umgebracht zu haben. Doch eindeutig ist der Fall nicht, und Zeugen gibt es keine. Vor Gericht werden sogar Sandras Romane als Beweismittel angeführt. In den Medien wird der Fall seziert. Das Paar hat einen blinden Jungen, der zur Zeit des Vorfalls mutmaßlich außer Haus war. Auch er muss vor Gericht erscheinen und seine eigene Version der Geschehnisse präsentieren.
"Sie ist extrem offen für alles, was am Set passiert"
Hüller spielt eine undurchsichtige Frau, die die Zuschauer bis zum Schluss über ihre Beweggründe rätseln lässt. Regisseurin Triet lobte ihre Hauptdarstellerin nach der Preisverleihung. "Sie ist extrem offen für alles, was am Set passiert", sagte sie. Man habe nicht viel proben müssen. "Sandra schafft es, so zugänglich zu sein, so offen."
Es geht um die Frage, wie Geschichten konstruiert werden
In "Anatomy of a Fall" geht es nicht vordergründig darum, was passiert ist. Sondern um die Frage, wie Geschichten konstruiert werden. Die Jury hat unter dem Vorsitz von Regisseur Ruben Östlund ein vielschichtiges Werk mit einer virtuosen Hauptdarstellerin ausgezeichnet.
Frau eines KZ-Kommandanten in "The Zone of Interest"
"The Zone of Interest" wiederum handelt vom Leben des KZ-Kommandanten Rudolf Höß (Christian Friedel) und seiner Familie. Hüller spielt Höß' Ehefrau Hedwig. Das Drama erzählt vom häuslichen Alltag der Familie Höß, die direkt am KZ Auschwitz ein luxuriöses Haus bewohnte. Von Auschwitz sehen die Zuschauer nur die Außenmauern oder einen rauchenden Schornstein. Schreie sind zu hören, während Hedwig ihren stattlichen Garten abschreitet oder dem Baby Blumen zeigt. Das Grauen wird durch den starken Kontrast zum Leben der Familie Höß deutlich. Im Laufe der Geschichte entfaltet Hüller so subtil wie mächtig die Monstrosität, die in ihrer Figur verborgen liegt.
Hüller war auch für den Preis als beste Schauspielerin gehandelt
Der deutsche Regisseur Wim Wenders und sein japanischer Hauptdarsteller Koji Yakusho.
Hüller war als Favoritin für den Preis als beste Schauspielerin gehandelt worden. Dieser ging allerdings an die türkische Schauspielerin Merve Dizdar. Sie verkörpert in "About Dry Grasses" von Nuri Bilge Ceylan eine Lehrerin. Als bester Schauspieler wurde der Japaner Koji Yakusho für seine Rolle in "Perfect Days" von Wim Wenders gewürdigt.
Der Preis der Jury ging an Aki Kaurismäki
"Fallen Leaves"-Hauptdarstellerin Alma Poeysti, Regisseur Aki Kaurismaeki und Schauspieler Jussi Vatanen auf dem Festival de Cannes.
Die Auszeichnung für die beste Regie ging an den in Vietnam geborenen Franzosen Tran Anh Hung für "La Passion de Dodin Bouffant" (englischer Titel "The Pot-au-Feu"): eine Liebesgeschichte über eine besondere Köchin und ihren Arbeitgeber, die im 19. Jahrhundert spielt. Der Preis der Jury wurde an den finnischen Regisseur Aki Kaurismäki für "Fallen Leaves" vergeben. Yuji Sakamoto wurde mit dem Preis für das beste Drehbuch für "Monster" von Hirokazu Koreeda geehrt.
Triet ist erst die dritte weibliche Cannes-Preisträgerin
Die 44-jährige Triet ist erst die dritte Frau, die die Goldene Palme in Cannes gewonnen hat. Die Filmfestspiele fanden dieses Jahr zum 76. Mal statt. Als sie angefangen habe zu arbeiten, habe es keine weiblichen Vorbilder gegeben, sagte Triet nach der Preisverleihung. "Ich glaube, wir stehen in dieser Hinsicht am Anfang eines tiefgreifenden Wandels."