Bundesverfassungsgericht urteilt zu Ausschluss der NPD aus staatlicher Parteienfinanzierung

Aktuelle Stunde 23.01.2024 03:52 Min. Verfügbar bis 23.01.2026 WDR

Kein staatliches Geld mehr für NPD-Nachfolger: Und was ist mit der AfD?

Stand: 24.01.2024, 06:16 Uhr

Die NPD, die sich heute "Die Heimat" nennt, wird von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Was das für die AfD bedeutet? Fragen und Antworten.

Von Jörn Seidel und Catharina Coblenz

Die NPD, die sich seit Mitte 2023 "Die Heimat" nennt, sei darauf ausgerichtet, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen, erklärte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag. Daher werde ihr die staatliche Parteienfinanzierung gestrichen, entschieden die Richterinnen und Richter. Sie wird also nicht mehr mit Steuergeld gefördert und muss außerdem auf steuerliche Vergünstigungen verzichten.

Ist damit auch ein Ausschluss der AfD von staatlichen Geldern wahrscheinlicher geworden, den einige fordern? Wie funktioniert die staatliche Parteienfinanzierung überhaupt? Und wie viel Geld bekommen die Parteien? Fragen und Antworten.

Warum bekommen die Parteien überhaupt Staatsgeld und Steuervergünstigungen?

"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit", heißt es im Grundgesetz. Sie seien "ein verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung", steht im Parteiengesetz. Für die Demokratie in Deutschland sind sie also unverzichtbar. Daher bekommen Parteien sowohl direkte staatliche Gelder als auch Steuervergünstigungen.

Wie bemessen sich die staatlichen Zuwendungen?

Voraussetzung für direkte staatliche Zuwendungen ist, dass Parteien mindestens 0,5 Prozent der Stimmen bei der letzten Europa- oder Bundestagswahl oder ein Prozent der Stimmen bei einer Landtagswahl erreicht haben. So steht es im Parteiengesetz.

Wie viel Geld eine Partei bekommt, bemisst sich unter anderem daran, wie viele Wählerstimmen sie bei einer Europa-, Bundestags- oder Landtagswahl bekommt. Entscheidend ist auch, wie viel Geld sie durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Beiträge ihrer Parlamentsmitglieder erhält.

Wie viel Geld bekommen NPD, AfD, SPD und CDU vom Staat?

Die NPD bekam zum letzten Mal im Jahr 2020 direkte staatliche Zuwendungen. Damals waren es nach Angaben des Bundestags 370.633 Euro. Seitdem sind die Wahlergebnisse - auch bei Landtagswahlen - so gering gewesen, dass sie keinen Anspruch mehr auf direkte staatliche Zuwendungen hat. Das gilt auch für "Die Heimat", wie sich die NPD mittlerweile nennt.

Die AfD erhielt im vergangenen Jahr rund 11,8 Millionen Euro an direkten staatlichen Geldern. Zum Vergleich: Die SPD bekam rund 54,4 Millionen.

Kämen die Parteien auch ohne staatliche Gelder aus? Oder wäre es das Aus der AfD?

Die Parteien in Deutschland finanzieren sich aus verschiedenen Quellen. Die staatlichen Zuwendungen machen einen großen Anteil der Einnahmen aus. Andere Einnahmequellen sind beispielsweise Mitgliedsbeiträge und Spenden.

Andreas Speit

Andreas Speit, Journalist

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag bekommt auch die Forderung, die AfD von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen, neuen Aufwind. Käme es tatsächlich so weit, wäre die Existenz der Partei zumindest bedroht, meint Andreas Speit, Journalist und Rechtsextremismus-Experte.

"Wir reden hier wirklich von Millionen Beträgen, die die AfD nutzt, um tatsächlich Hass und Hetze weiter zu verbreiten." Andreas Speit,
Rechtsextremismus-Experte

"Wenn man die Bundestags- und Landtagsfraktion hinzuzieht, dann sieht man, dass diese Partei enorm vom Staat lebt", sagte Speit am Dienstag dem WDR.

Wie wahrscheinlich ist ein Ausschluss der AfD von staatlichen Geldern?

Der Staatsrechtler Andreas Thiele sieht hohe Hürden für den Ausschluss der AfD von der staatlichen Parteienfinanzierung. "Die Informationen, die wir dazu sammeln müssten, unterscheiden sich überhaupt nicht von denen, die wir für ein Verbotsverfahren sammeln müssten. Die Partei muss genauso verfassungsfeindlich sein wie bei einem Verbot", sagte er dem WDR.

Von einem Antrag rät er derzeit ab. Seine Begründung: "Es ist eben erforderlich, dass die ganze Partei und nicht nur einzelne Mitglieder verfassungsfeindliche Ziele verfolgen." Dies nachzuweisen, sei derzeit schwer.

Heribert Prantl, Journalist und Autor

Heribert Prantl, Journalist

Heribert Prantl, einst Richter und heute Autor bei der "Süddeutschen Zeitung" schrecken solche Hürden nicht ab. Am Dienstag sagte er dem WDR, dass das Grundgesetz "Waffen zur Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat" bereithalte. "Und deswegen müssen diese auch genutzt werden, wenn es Not tut." Das gelte auch für die AfD.

"Man kann nicht sagen: Weil so viele diese AfD wählen, müssen wir sie gewähren lassen." Heribert Prantl, Journalist

Wenn die AfD so agiere, dass sie die Menschenwürde verletze und somit gegen den Artikel 1 des Grundgesetzes verstoße, dann müsse man auch gegen diese Partei mit den "Waffen" des Grundgesetzes vorgehen, sagte Prantl.

Parteienfinanzierung: "Staat darf Feinde nicht finanzieren"

WDR 5 Morgenecho - Interview 23.01.2024 08:57 Min. Verfügbar bis 22.01.2025 WDR 5


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Über dieses Thema berichtete am 23.01.2024 auch die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen.

Unsere Quellen:

  • Bundesverfassungsgericht
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • WDR-Interview mit Journalist Heribert Prantl
  • WDR-Interview mit Journalist Andreas Speit
  • WDR-Interview mit Staatsrechtler Andreas Thiele
  • Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
  • Parteiengesetz
  • Deutscher Bundestag

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