Bundestag kippt 219a: Ärzte dürfen über Schwangerschaftsabbrüche informieren

Stand: 24.06.2022, 16:00 Uhr

Der Bundestag hat die Aufhebung des umstrittenen Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Paragraf 219a ist damit Geschichte. Die Informationslage für Betroffene soll sich damit verbessern.

Wer einen Schwangerschaftsabbruch plant und Informationen braucht, der sucht. Und sucht. Der findet im Internet schließlich Listen mit Kontaktdaten für Arztpraxen. Auf den Webseiten der Ärztinnen und Ärzte aber dann wieder: nichts. Mit der am Freitag vom Bundestag beschlossenen Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche könnte sich das nun ändern.

Paragraf 219a fällt weg - und auch die Strafverfolgung

Laut Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs, der nun wegfällt, durften Ärztinnen und Ärzte keine ausführlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche öffentlich anbieten. In den vergangenen Jahren waren sie wiederholt zu Geldstrafen verurteilt worden - etwa wenn sie auf ihren Internetseiten darauf aufmerksam machten, dass sie Abtreibungen anbieten.

"Es ist ein großer Tag voll Freude und Erleichterung." Nora Szász, Gynäkologin

Eine, die schon schon mehrfach angezeigt wurde, weil sie über Schwangerschaftsabbrüche informierte, ist Gynäkologin Nora Szász aus Kassel. Über den Beschluss des Bundestags freut sie sich sehr. "Es ist ein großer Tag", sagte sie dem WDR.

Damit werde die Einschüchterung von Ärztinnen und Ärzten "nun langsam zurückgenommen". Szász ist überzeugt: Dies sei der "Auftakt zur Entkriminalisierung" des Umgangs mit Schwangerschaftsabbruch überhaupt. Es müssten aber noch viele Schritte folgen.

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Weiter Angst vor Anfeindungen

Andere Ärztinnen und Ärzte freuen sich weniger öffentlich - die Angst vor Anfeindungen ist immer noch groß. Jetzt sei "die Frau frei zu entscheiden und wird ihr gewünschtes Kind mit Liebe und Freude im gewünschten Zeitpunkt erziehen", sagt eine Frauenärztin aus NRW auf Anfrage des WDR zum Ende von Paragraf 219a. Sie führt Schwangerschaftsabbrüche durch, möchte aber namentlich nicht genannt werden.

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Frauenärzte-Verband: Das richtige Signal

"Im Zeitalter einer niederschwelligen Informationskultur in unserer Gesellschaft ist es für hilfesuchende Frauen nicht hinnehmbar, ihnen den direkten Zugang zu diesen Informationen zu erschweren", sagte Klaus Doubek, Präsident des Berufsverband der Frauenärzte (BVF), dem WDR. Die Abschaffung des Paragrafen sei deshalb genau das richtige Signal.

Für wie viele Ärztinnen und Ärzte sich damit in NRW etwas ändert, ist nicht genau klar - laut Liste der Bundesärztekammer ist in etwas mehr als 30 Arztpraxen ein Schwangerschaftsabbruch möglich. Ob diese Anzahl für den Bedarf der Betroffenen ausreicht, ist nicht belegbar. Eine Erhebung zur aktuellen Versorgungssituation führt der BVF nicht durch.

Zahl der registrierten Abtreibungen in NRW gesunken

Fakt aber ist: Die Zahl der registrierten Abtreibungen in NRW ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken - in 2021 im Vergleich zum Vorjahr allein um vier Prozent, im Vergleich zu 2011 um insgesamt elf Prozent.

Am Abtreibungsrecht ändert sich nichts

Am deutschen Abtreibungsrecht selbst ändert sich durch die Entscheidung übrigens nichts. Nach geltender Rechtslage ist in Deutschland eine Abtreibung straffrei, wenn sie in den ersten drei Monaten nach der Empfängnis und nach einer obligatorischen Konfliktberatung vorgenommen wird.

Auch bei medizinischen Gründen oder bei einer Schwangerschaft im Zuge einer Vergewaltigung bleibt ein Schwangerschaftsabbruch ohne rechtliche Folgen.

Über dieses Thema berichtete am 24.06.2022 um 14.16 Uhr auch WDR2.