AKW Saporischschja: Warum jede Abschaltung gefährlich sein kann

Stand: 09.03.2023, 20:17 Uhr

In der Ukraine ist am Donnerstag das unter russischer Kontrolle stehende Atomkraftwerk Saporischschja für einige Stunden vom Netz genommen worden - wie gefährlich ist das?

Die Ukraine hat am Donnerstag landesweit heftige Angriffe durch russische Raketen und Drohnen gemeldet. Im ganzen Land kam es zu Explosionen. Durch russische Raketenangriffe war die Stromzufuhr für das unter russischer Kontrolle stehende Atomkraftwerk Saporischschja, die größte Nuklearanlage Europas, unterbrochen. Ein Sicherheitsrisiko, das potenziell dramatische Folgen haben kann.

Warum wurde das AKW Saporischschja vom Netz genommen?

Wegen der Angriffe. Dadurch war am Donnerstag die Stromversorgung im AKW mehrere Stunden lang unterbrochen, wie der staatliche Betreiber Energoatom mitteilt. Später erklärte Netzbetreiber Ukrenerho, der Strom fließe wieder.

Das Kraftwerk ist seit Monaten von russischen Truppen besetzt. Seitdem ist die externe Stromversorgung dort sechsmal ausgefallen. Seit Monaten beschuldigen sich Moskau und Kiew gegenseitig, für Angriffe um und auf das Atomkraftwerk verantwortlich zu sein.

Das AKW liegt in der von Russland für annektiert erklärten Region Saporischschja nicht weit von der Front entfernt.

Wieso kann eine AKW-Abschaltung gefährlich sein?

Das Kernkraftwerk braucht Strom, unter anderem, um die Kühlung der Reaktoren aufrecht zu erhalten. Fällt die Energieversorgung aus dem Stromnetz - wie am Donnerstag geschehen - aus, springen Notstromaggregate ein. Doch die Dieselgeneratoren könnten den Energiebedarf der Anlage nur für zehn Tage decken, teilte der Energiekonzern Energoatom mit. Falls es einmal nicht gelingen sollte, die externe Stromversorgung des Kraftwerks in dieser Zeit zu erneuern, könne es zu einem "Unfall mit Folgen für die ganze Welt kommen".

Wie berechtigt sind aktuell Befürchtungen, dass es zu einem GAU kommt?

"Die Situation ist angespannt, keine Frage", sagt Norbert Molitor, Experte für Nuklearanlagen, dem WDR. "Stand heute würde ich aber nicht sagen, dass ein GAU oder ähnliches bevorsteht." Die Situation sei zwar nicht so, wie sie sein sollte, "aber sie ist nicht außer Kontrolle", so Molitor.

Wie sieht es aktuell im AKW Saporischschja aus?

Früher erzeugte das AKW 20 Prozent des ukrainischen Stroms. In den ersten Monaten des Ukraine-Krieges blieb es trotz Bombardements in Betrieb, bevor es im September 2022 abgeschaltet wurde. Seitdem produziert keiner der sechs aus der Sowjet-Zeit stammenden Reaktoren mehr Strom. Dennoch war die Anlage weiterhin an das ukrainische Energienetz angeschlossen.

Vor der russischen Invasion in die Ukraine arbeiteten 11.000 Menschen im Kraftwerk, jetzt sind es nach Angaben des Betreibers Energoatom nur noch 6.500. Tausende Fachkräfte seien in die von Kiew kontrollierten Gebiete geflohen und von denjenigen, die blieben, hätten sich rund 2.600 bereit erklärt, mit den russischen Besatzern zusammenzuarbeiten.

Was unternimmt die internationale Gemeinschaft mit Blick auf das AKW Saporischschja?

Im September entsandte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) Beobachter in das Kraftwerk und versuchte, über dessen Entmilitarisierung zu verhandeln - bislang ohne Erfolg. "Allein die Tatsache, dass die Beobachter hier sind, ist schon ein Pluspunkt", sagt Dmytro Orlow, der Bürgermeister der Stadt Enerhodar, dem Standort der Anlage. Er setzt auf die Vernunft angesichts der Gefahr: "Niemand wird die Besetzung des größten Atomkraftwerks in Europa mit militärischen Mitteln beenden."

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