Ein Absperrband der Polizei hängt vor einer zerbrochenen Fensterscheibe einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Bautzen (Aufnahme vom 02.11.2022)

Deutlich mehr Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte

Stand: 02.03.2023, 12:10 Uhr

Wegen des Ukraine-Kriegs sind letztes Jahr deutlich mehr Flüchtlinge nach Deutschland gekommen als sonst - parallel dazu haben auch die Angriffe auf ihre Unterkünfte stark zugenommen.

Parallel zu den steigenden Zahlen Geflüchteter hat im vergangenen Jahr auch die Zahl von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte erstmals seit 2015 wieder zugenommen. 2022 gab es 121 Überfälle, Anschläge, Sachbeschädigungen und tätliche Angriffe auf solche Unterkünfte. Das entspricht einer Zunahme von 73 Prozent im Vergleich zu 2021, als es 70 derartige Straftaten ab.

Täglich drei Angriffe

Das geht aus vorläufigen Zahlen des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vorliegt. Allerdings lag die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte - trotz der deutlichen Zunahme - noch weit unter dem Höhepunkt zur Zeit der Flüchtlingskrise 2015. Damals wurden 1.047 Übergriffe gegen Asylbewerberunterkünfte verzeichnet.

Die Behörden verzeichneten 2022 zudem 1.248 Angriffe gegen Asylbewerber oder Flüchtlinge außerhalb von Unterkünften. Das waren in etwa so viele wie im Vorjahr mit 1.259 Fällen. Jeden Tag werden somit in Deutschland drei Asylbewerber Opfer von Angriffen. Die Taten seien meist rechts motiviert gewesen, hieß es.

Angespannte Lage bei der Unterbringung

Im vergangenen Jahr war die Zahl der Flüchtlinge insgesamt deutlich angestiegen, vor allem infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. 2022 seien knapp 218.000 Asylsuchende nach Deutschland gekommen - so viele wie zuletzt 2016. Hinzu kamen knapp eine Million Ukrainer.

Das sorgt bei der Unterbringung von Geflüchteten für Engpässe. Auch viele NRW-Kommunen sind am Limit. Beim Flüchtlingsgipfel Mitte Februar versprach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine bessere Abstimmung bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten. Die Frage nach dem Geld wurde allerdings vertagt. Die Kommunen sind darüber unzufrieden. Ihnen fehlt ein Gesamtkonzept.

Gewaltforscher Zick: "Kein ostdeutsches Problem"

Meldungen über Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte häufen sich derzeit. In Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) ist am Montag ein Protest gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft eskaliert. Die Polizei musste den Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) vor aggressiven Demonstranten schützen. Unter den Protestierenden seien auch Menschen gewesen, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen seien, so die Polizei.

Zu den Angriffen zählte im Oktober 2022 auch ein mutmaßlicher Brandanschlag auf ein ehemaliges Hotel in Groß Strömkendorf in Mecklenburg-Vorpommern. Hier sollten vorrangig Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht werden. Die Polizei vermutete zunächst einen politischen Hintergrund, fand aber dann keinen Hinweis mehr darauf. Später wurde ein 32-jähriger Feuerwehrmann als Verdächtiger festgenommen und man sah die Tat als Teil einer Brandserie. Rund anderthalb Wochen später war im sächsischen Bautzen eine geplante Unterkunft in Brand gesteckt worden - auch in diesem Fall ein ehemaliges Hotel.

Im August war in Leipzig versucht worden, eine Flüchtlingsunterkunft mit mehreren Brandsätzen anzugreifen. Ein ostdeutsches Problem sei das aber nicht, sagte der Bielefelder Soziologe und Gewaltforscher Andreas Zick damals tagesschau.de: "Im Osten haben sich über die Jahre radikale Kulturen stärker bilden können - auch wenn das alles kein ostdeutsches Problem ist."

Erinnerungen an Rostock-Lichtenhagen

Die fluchtpolitische Expertin der Linksfraktion, Clara Bünger, zeigte sich angesichts der aktuellen Zahlen zu Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte im Jahr 2022 alarmiert. "Geflüchtete, die hier Sicherheit und Schutz suchen, werden in Angst und Schrecken versetzt", sagte sie der "Osnabrücker Zeitung".

Sie erinnerte an die gewaltsamen Ausschreitungen gegen ein Flüchtlingswohnheim und gegen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber 1992 in Rostock-Lichtenhagen und sagte: "Wollen wir darauf warten, bis sich Rostock-Lichtenhagen wiederholt?"