Aktienrente: Was bringt das neue "Generationenkapital"?

Stand: 13.01.2023, 20:26 Uhr

Finanzminister Lindner und Arbeitsminister Heil haben am Freitag die Pläne der Ampel-Regierung zur sogenannten Aktienrente konkretisiert. Fragen und Antworten zur Änderungen bei der staatlichen Rente.

Das Rentenniveau werde dauerhaft gesichert, so hat es Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Freitag erneut versprochen. Damit das auch klappt, ist ein zweites Rentenpaket in Arbeit, das in den nächsten Wochen vorgestellt werden soll. Ein wichtiger Punkt darin ist die sogenannte Aktienrente. Um die staatliche Rente langfristig abzusichern, setzt die Bundesregierung künftig auch auf den Kapitalmarkt.

"Generationenkapital" soll Rente ergänzen

Der Bund will Jahr für Jahr einen Fonds aufbauen, aus dessen Erträgen in etwa 15 Jahren die Rentenbeiträge und das Rentenniveau stabilisiert werden sollen. Die Ampel-Regierung nennt dies jetzt "Generationenkapital".

Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister, nimmt an einer Townhall-Veranstaltung im Co-Working-Space WeWork zum Thema #Generationenkapital teil.

Christian Lindner (FDP) bei einer Diskussionsrunde zum Thema Generationenkapital

Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien vereinbart, in einem ersten Schritt zehn Milliarden an die gesetzliche Rentenversicherung als Kapitalstock für den geplanten neuen Fonds zu zahlen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte am Freitag in Berlin, dieser solle die bestehende umlagefinanzierte gesetzliche Rente nur ergänzen, nicht aber ersetzen.

Bisher wird die Rente nur durch Beiträge und Steuern finanziert. Allein im vergangenen Jahr musste der Bund aus seinem Etat Zuschüsse von 100 Milliarden Euro zahlen.

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Warum wird die Aktienrente eingeführt?

"Noch sieht es bei der Rentenkasse gut aus, aber bald wird es eng. Spätestens in den 30er Jahren", so Ulrich Ueckerseifer aus der WDR-Wirtschaftsredaktion. Aktuell funktioniert unser Rentensystem über den Generationenvertrag, ein Umlageverfahren bei dem die jüngere und damit arbeitende Generation durch ihre Beiträge die Rente der Alten finanziert.

Aber die Leute werden älter und es werden weniger Kinder geboren. Zudem geht in den nächsten Jahren die Baby-Boomer-Generation (1955 - 1969) in Rente. Durch diese Entwicklung schrumpft der Anteil derjenigen, die in das System einzahlen und es kommt zu einem Ungleichgewicht: mehr Rentenempfänger als Beitragszahler.

Wird das aktuelle Umlageverfahren nun komplett abgeschafft?

Nein. Es soll durch die Aktienrente ergänzt werden. Neben dem umlagefinanzierten Generationenvertrag gibt es noch zwei weitere Säulen des deutschen Rentensystems: Die Betriebsrente und die private Altersvorsorge, also die Riesterrente. Die Aktienrente wird in das gesetzliche Rentensystem eingepflegt.

Sind zehn Milliarden Euro als Fonds-Basis viel oder wenig?

Ein Betrag von zehn Milliarden sei tatsächlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagte die Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzer, Vorsitzende der sogenannten "Fünf Wirtschaftsweisen", am Freitag dem WDR. Jedes Jahr werden in Deutschland 300 - 400 Milliarden Euro an Rente ausgezahlt. Dies müsste dann auch die Höhe des Grundstocks sein, meint Ulrich Ueckerseifer. Ein weiteres Problem an der Aktienrente sind die aufgenommenen Schulden für den Fonds. "Das von dem man jeder Privatperson abraten würde - sich Geld leihen, um es anzulegen - macht der Staat", kritisiert Ueckerseifer.

Wie entscheidet die Bundesregierung in welche Aktien investiert wird?

Dazu wurden noch keine Details veröffentlicht. Würde es aber nach dem schwedischem Modell gehen, dann könnte das Portfolio des Staatsfonds von einem Expertenteam zusammengestellt werden, das sich am aktuellen Markt orientiert. Auch kann die Bundesregierung für sich entscheiden, ob sie etwa nur in nachhaltige Unternehmen investiert, ob die Investition in Rüstungsunternehmen, Kohle oder Kernkraft ausgeschlossen werden.

Was passiert, wenn es einen Crash am Finanzmarkt gibt?

Erstmal nichts. Wenn nur die Dividenden ausschüttet werden, die jedes Jahr reinkommen, dann sind Kursschwankungen egal. Aber dadurch, dass aktuell keine Details (bis auf die Grundstocksumme) bekannt sind, ist das schwer zu beantworten.

Welche Alternativen gibt es?

Im Koalitionsvertrag ist es ausgeschlossen, aber die Höhe der Rente könnte abgesenkt werden, um das System zu entlasten. Man könnte auch das Renteneintrittsalter erhöhen, damit länger in die Rentenkasse eingezahlt wird.

Um die Beitragszahlungen zu erhöhen, könnte eine Rentenversicherungspflicht für Beamte oder Selbstständige eingeführt werden. Auch kann der Staat die gesetzliche Rente stärker bezuschussen oder mehr Arbeitsmigration nach Deutschland fördern.

"Um die Beiträge in Zukunft stabil halten zu wollen, müsste man sehr viel mehr Einwanderung haben, müssten wir sehr viel mehr Erwerbspersonen haben," sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Schnitzer. Man könnte auch die Generation der Baby-Boomer noch einmal extra mit höheren Beiträgen für die Rentenversicherung zur Kasse bitten, bevor diese in die Rente gehen. "Dann würden sie noch einen Teil dazu beitragen, ihre eigene Rente später zu sichern", so Schnitzer.

Welche Nachteile hat das "Generationenkapital"?

Generell komme dieser Systemwechsel zu spät, kritisiert WDR-Wirtschaftsexperte Ueckerseifer, aber "jetzt gilt es das Ganze auch richtig zu machen und die Handhabe nicht Banken oder Versicherungen zu überlassen, die sicherlich Gebühren dafür nehmen werden."

Monika Schnitzer

Monika Schnitzer, Wirtschaftswissenschaftlerin

"Die SPD würde gerne die Beiträge stabilisieren, die FDP würde gerne in die Aktienrente einsteigen", sagte Wirtschaftswissenschaftlerin Schnitzer am Freitag. Herausgekommen sei aber eine Art Mogelpackung.

"Man nimmt jetzt Schulden auf, um dann in Zukunft die Beiträge zu stabilisieren. Das soll eigentlich der Generation in Zukunft helfen, aber tatsächlich muss die Generation in Zukunft auch die Schulden abtragen. An der Stelle ist nichts gewonnen." Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzer

Opposition: "Kreditfinanzierte Zockerei"

Kritik kommt auch von den Sozialverbänden, den Gewerkschaften und von der Opposition. Der Linke-Rentenexperte Matthias W. Birkwald sagte, Heil sollte sich nicht der Illusion der FDP hingeben, die Rentenfinanzen könnten "über kreditfinanzierte, staatliche Zockerei mit vielen Milliarden Euro" in Ordnung gebracht werden. Die Zeit niedriger Zinsen sei zunächst vorbei.

Mit dem "Generationenkapital" verabschiede sich die FDP endgültig von der Idee einer Aktienrente, bei der der einzelne Versicherte individuelle Ansprüche erworben hätte, erklärte am Freitag der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Stracke. "Nun soll lediglich ein Kapitalstock aufgebaut werden, der in Wahrheit nur ein Bundeszuschuss in anderem Gewand ist. Die zehn Milliarden Euro, die dort angelegt werden sollen, bestehen lediglich aus Schulden."

Über dieses Thema berichten wir unter anderem in der Aktuellen Stunde und im Hörfunk bei WDR 5.

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