Buchcover: "muttertask" von Uljana Wolf

"muttertask" von Uljana Wolf

Stand: 21.11.2023, 12:00 Uhr

Der neue Gedichtband "muttertask" von Uljana Wolf besticht durch seinen Umgang mit der Materie. Kraftvoll spielt die Lyrikerin hierin sowohl mit der "matermaterie" der auf ihre Mutterrolle zurückgeworfenen Frau als auch mit der Sprachmaterie selbst, die sie in ihrer ganz eigenen "lengevitch" virtuos und liebevoll zerhäckselt. Eine Rezension von Julia Trompeter.

Uljana Wolf: muttertask
Gedichte. Gestaltet von Andreas Töpfer.
kookbooks, 2023.
80 Seiten, 24 Euro.

"muttertask" von Uljana Wolf

Lesestoff – neue Bücher 21.11.2023 04:55 Min. Verfügbar bis 20.11.2024 WDR Online Von Julia Trompeter


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Wer Uljana Wolfs neuesten Gedichtband liest, taucht unweigerlich ein in eine fluide Welt der Sprache. Schon der Titel ist eine Herausforderung. "Muttertask": Darin stecken die Muttersprache ebenso wie das englische Wort ‚to mutter‘, welches ‚stammeln‘ oder ‚stottern‘ bedeutet, aber auch der ‚task‘, also die enorme Aufgabe, die es bedeutet, Mutter zu sein.

"muttertask war was mit dreh
den eine nicht mehr hat war
aweh war täglich schrauben
x-mal um putzlige daumen
war umfassen eingefangen
nu vot. die abende sind fort
die morgende sind fort. alles
geborgene von sich selbst
nur geborgt. mussu mut herr
eden. so. so. mut hergeredet"

Den Mut, der hier laut Gedicht erst herbeigeredet werden muss, machen diese Texte von ganz von allein. Fernab von jeder Larmoyanz lässt Uljana Wolf verschiedene Topoi wie Carearbeit und körperliche Veränderung durch Schwangerschaft und Geburt aufscheinen, um sie zeitgleich sprachlich wieder zu dekonstruieren.

Besonders die Gedichte aus dem titelgebenden Kapitel legen schonungslos den Zwiespalt zwischen Erschöpfung und unbedingter Liebe zum Kind offen. Kraftvoll spielt die Lyrikerin darin sowohl mit der "matermaterie" der auf ihre Mutterrolle zurückgeworfenen Frau als auch mit der Sprachmaterie selbst, die sie in ihrer ganz eigenen "lengevitch" virtuos zerhäckselt und liebevoll neu zusammensetzt.

Was die fluiden Zeilen so besonders macht, ist Wolfs ureigener Jargon, in der sie das Deutsche und das Englische, das Lateinische und Spanische, Dialekt und Hochsprache, Kinder-, Umgangs- und Phantasiesprache ineinander webt:

"omg so guter offnung!
she won own form now
hatse womb form hatse
mogelform viel schlieren
hatse bowing down viel
rotieren mutterrad dreh
dich mal puste arg omg
wer mag das denn nicht
so morfend sich verlieren"

Veränderung, Verlust und das ständige Rotieren der Aus-der-Puste-Gekommenen sind der innere Motor dieser Zeilen. Wolf dreht die Stellschraube des Absurden im Text immer enger, bis die "mama", "mater", "mutata", "matrjoschka" letztlich nur noch einen Ausweg findet: Sie geht aus. Auch diese Formulierung bleibt auf subtile Art zweideutig.

Doch "muttertask" ist viel mehr als der Blick auf Mutterschaft. Es ist zugleich ein Fenster zur Welt; die Schar der Bezugsfiguren äußerst bunt. In den weiteren Kapiteln beruft sich Wolf etwa auf zwei berühmte Frauen der griechischen Mythologie, die mordende Mutter Medea und die Jungfrau Athene, und springt im Kapitel "höchere töchter" sodann zu den Werken Emmy Hennings, Max Beckmanns oder Hannah Höchs.

Auch wenn dieses Panoptikum die Leserschaft herausfordern mag, verliert Wolf nie den lose aber gezielt gespannten Bogen zum Hauptthema. Und zwar selbst in den Gedichten zu Hölderlins Seefahrerfragment "Colomb":

"to comment. to commence. sagen wir: ein
mikrotonales comma zwischen glosse und
beginn. glidend, glimmend gar. sei beginn
kommentar? in dieser stunde warst du quark
im schaufinster, warst spark in deiner mutter
augenring, ganz richtig: sie rang, du hingest
längst eingelesen, in diesen zeilen. hyperenkel
textur, oder schnürsenkelprinzip. das kennst
du nicht? one, two, buckle my shoe."

Selbst in diesem überaus kongenialen Versuch, Hölderlin über Bande mit Rosemarie Waldrops "Hölderlin Hybriden" neu zu kommentieren, scheint Mutterschaft unvermittelt zwischen den Zeilen auf. Denn die einer Mutter ach so wohlbekannten Augenringe: Sie lassen auch hier grüßen.