Buchcover: "Munk" von Jan Weiler

"Munk" von Jan Weiler

Stand: 19.09.2024, 07:00 Uhr

Einundfünfzig Jahre jung und Herzinfarkt – wie konnte es soweit kommen? In Jan Weilers Roman "Munk" erforscht ein Architekt sein Leben mit und ohne Frauen, und kommt dabei sich selbst etwas näher. Eine Rezension von Dorothea Breit.

Jan Weiler: Munk
Heyne, 2024.
384 Seiten, 24 Euro.

"Munk" von Jan Weiler

Lesestoff – neue Bücher 19.09.2024 05:43 Min. Verfügbar bis 19.09.2025 WDR Online Von Dorothea Breit


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Von weitem meint er, höchst irritiert, Nadja in einer Parfümerie zu sehen. Kurz darauf bricht er auf der Rolltreppe eines Züricher Kaufhauses zusammen.

"Peter Munk war bis vor Kurzem gerne und oft nach Zürich gekommen. Er fand, dort zu leben sei, wie in einem warmen Apfelkuchen zu wohnen. (...) Der Grund für seine häufigen Besuche war vor drei Monaten hinfällig geworden, weil Nadja ihn verlassen und sich einem Perkussionisten zugewandt hatte (...)."

Eine untalentierte Werbefrau, die bei einer Ausstellungseröffnung ein Frühlingsröllchen filmreif in sein Weinglas fallen ließ, um mit ihm anzubändeln. Der Herzinfarkt bringt den beruf lich sehr erfolgreichen, im Privatleben aber einsamen 51-jährigen Architekten zum Innehalten. Ein bekanntes und überschaubares Setting, dem Jan Weiler mit seinem Roman "Munk" einen im Herzen und in der Seele verletzten Unverbesserlichen hinzufügt.

"Es war, als habe er jahrelang irrtümlich das Geräusch einer Autobahn zu Meeresrauschen umgedeutet und sei jetzt erst darauf gekommen, dass es sich in Wahrheit um unerträglichen Lärm handelte."

Jan Weiler schreibt aus allwissender Perspektive, auf Schmunzeln getrimmt und kommentierend. Auf Anweisung des Reha-Arztes lässt er den Patienten eine Liste der für ihn emotional wichtigsten Menschen erstellen: Dreizehn Frauen sind dies, die Munk nun in Gedanken Revue passieren lässt. Nummer eins: Judith. Sie roch nach Patschuli, hatte eine Plattensammlung und bescherte ihm tollpatschigen Teenagersex. Soll wohl lustig sein, klingt aber eher abgeschmackt. Kaum anregender die Gesellschaft in der Reha.

"Die Abende im Mönchhof-Resort verliefen weitgehend ritualisiert, was Munk gut gefiel. Die Gäste bildeten eine Schicksalsgemeinschaft ähnlich wie Gefängnisinsassen oder Soldaten, wenn auch unter deutlich angenehmeren Lebensbedingungen. (...) Dennoch gab es Menschen, die ihren Aufenthalt in so einem Fünfsternehotel mit einer latenten Trotzhaltung abhielten, weil sie aus ihrer Sicht dazu gezwungen wurden, gedünsteten Sellerie und Blattsalate mit Zitronensaft zu sich zu nehmen."

Interessanter ist Munks Hassbeziehung zum Vater, einem reichen Baulöwen und latenten Nazi; was den Ehrgeiz des Sohns anstachelte, es als Architekt und Mensch anders zu machen. Munk ist Ästhet, hat bei Ingenhoven in Düsseldorf und bei Sauerbruch Hutton in Berlin praktiziert, bevor er in dieselbe Liga aufstieg.

Und dann eben die Herzensdamen: Nicole, die Schlittschuhläuferin und erste große Liebe seines Lebens. Allerdings denkt er das auch von den zehn, die noch folgen: die diebische Ana auf Ibiza, die naive Heike, die er als Schlafplatz brauchte, die lustige Andrea, die destruktive, Walter Benjamin zitierende Malerin, oder die Sanfte mit den ungezogenen Söhnen –

"Penelope lachte ihn an und sagte: »Du klingst wahnsinnig begeistert. Wenn du wüsstest, wie sehr ich diesen Gesichtsausdruck liebe.« Und wenn sie gewusst hätte, wie gut ihm dieser Satz tat. (...) Dann überlegten sie ein Reiseziel und einigten sich auf einen Cluburlaub in der Türkei. (...) Sie überwältigte ihn mit ihrer Wärme. Davon konnte er nicht genug bekommen."

Nicht zu vergessen die Influencerin Fanny. Jan Weiler lässt keine aus – doch alle sind Schablonenfiguren und sprechen auch so. Das mag als Fortsetzungsroman in einer Tageszeitung funktioniert haben. In Buchform erzeugt die Wiederholung des Immergleichen keinen Spannungsbogen bis zum Finale mit Claudia, der einzigen, die der Liebebedürftige auch kontaktiert und trifft.

"Für Munk schien es so, als habe sie damit gerechnet, dass er sich irgendwann melden würde. (...) Er würde ihr alles von sich erzählen, auch, dass er sicher sei, ein besserer Mensch geworden zu sein. (...) Zum ersten Mal in seinem Leben sei er klar, auch darüber, wer sein Leben bereichert habe und auf welche Weise. Und wie er es künftig gestalten wolle. Zwei Menschen im Einklang, das habe er nur mit ihr erlebt. Sie sei sozusagen das Uhrwerk in seiner Seele, das Fundament seines Lebensglücks. Er habe dies bloß damals nicht erkannt."

Das Wiedersehen gerät anders als geplant. Munks Frauen haben nämlich mittlerweile Kontakt zueinander aufgenommen, nachdem Munk – es ist kaum zu glauben – seine dürftigen Liebesepisoden als Buch veröffentlichte mit dem Titel: "Die Summe aller Frauen". Jan Weiler lässt sie im Nachhinein noch ein Wörtchen mitreden, schließlich gehören mindestens zwei dazu, damit eine Liebe gut- oder schiefgeht wie in diesem entbehrlichen Buch.