Auf die FIFA-Art: Umgang unter Freunden

Stand: 14.09.2019, 09:00 Uhr

  • Geleakte E-Mails von WDR und SZ ausgewertet
  • Stellvertretender Generalsekretär wirft Adidas Korruption vor
  • FIFA schweigt zu den Vorwürfen

Von Benjamin Best, Robert Kempe, Jochen Leufgens

Gut 290 Milliarden Emails wurden weltweit am 20. Dezember 2018 verschickt. Niemand würde es also der FIFA verübeln, es ein wenig unglücklich zu finden, dass ausgerechnet einige Mails, die über die Server der Hüter des Weltfußballs liefen, ein knappes Jahr später der Süddeutschen Zeitung (SZ) vorliegen - und diese gemeinsam mit WDR Sport inside ausgewertet wurden. Zumal der Inhalt durchaus brisant ist, auch weil Absender und Empfänger zum innersten Zirkel von FIFA-Präsident Gianni Infantino gehören.

Geheimplan "Project Trophy"

Der war ohnehin bereits durch eine SZ- und WDR-Enthüllung im November des Vorjahres in Nöte gekommen: Ein Arbeitspapier, aus dem Infantinos milliardenschwerer Geheimplan "Project Trophy" hervorging. Diesen hatte Infantino als großartigen Deal verkaufen wollen. Für zwei neue zu schaffende Turniere gäbe es sagenhafte 25 Milliarden Dollar. Die Justiziare der FIFA waren trotz der Summe nicht ganz so überschwänglich, wie die ebenfalls damals öffentlich gemachte interne juristische Expertise zeigte. Wohl aus guten Grund: Sahen die internen Papiere doch vor, fast alle Rechte und Vermögenswerte der FIFA zugleich zu veräußern. Teilweise solche, die wohl schon langfristig an andere Partner vergeben waren.

Der Vertragsentwurf des Arbeitspapieres sei "veraltet", bloß ein Papier von hunderten, die im Hause kursierten, gab die FIFA damals zu Protokoll. Die Glaubwürdigkeit des Einwurfs aus dem Hause Infantino wurde unter Experten als, nun, eher unvorteilhaft für die FIFA diskutiert, nicht zuletzt weil die hauseigenen Juristen ein 16-seitiges vernichtendes Gutachten dazu verfasst hatten.

 Adidas bat um Gespräch mit Infantino

Dieser Ansicht war offenbar auch mindestens ein Vertragspartner der FIFA, der im Nachgang zu den Enthüllungen in Aufruhr geriet, wie aus dem Mailverkehr des 20. Dezembers 2018 hervorgeht, den SZ und WDR nun ausgewertet haben. Demzufolge bat Kasper Rorsted, Vorstandschef des langjährigen FIFA-Partners Adidas, um ein Treffen mit Gianni Infantino persönlich - kein gänzlich unnachvollziehbarer Standpunkt unter millionenschweren Vertragspartnern.

Eher ungewöhnlich wirkt hingegen die Kommunikation des stellvertretenden Generalsekretärs der FIFA, Alasdair Bell, der bezugnehmend auf das Gesprächsansinnen des Adidas-Chefs in einen Mailverteiler mit FIFA-Spitzenpersonal schrieb: "Es ist richtig, dass die Zusammenarbeit von Adidas mit der Fifa etwa 40 Jahre zurückreicht. Ich denke, zu diesem Zeitpunkt begannen sie, Bestechungsgelder an das frühere Management des Unternehmens zu zahlen (oder zumindest wurde dies in früheren Kommentaren so berichtet). Und jetzt haben sie einen Vertrag bis 2030, demzufolge ihnen alle möglichen Rechte eingeräumt wurden, auch in Hinblick auf Wettbewerbe, die es gar nicht gibt. Toller Deal. Ich frage mich, warum die FIFA das getan hat?"

Mit einem Handstreich rückt der stellvertretende Generalsekretär der FIFA einen langjährigen Partner in den Dunstkreis der Korruption und, wohl noch schwerwiegender, hinterfragt gleichzeitig den Sponsoringvertrag mit einem der wichtigsten Partner. Ausgerechnet dem, der laut Mailverkehr Rechte an Wettbewerben, "die es noch nicht gibt" hält - dennoch hatte FIFA-Chef Infantino mit neuen Geldgebern ausweislich des FIFA-Arbeitspapiers auch darüber im Rahmen des 25-Milliarden-Deals "Project Trophy" verhandelt.

"Probleme mit ihrer Führung"

"Wenn die Funktionäre der FIFA über eine neue FIFA und neue Standards in der Verbandsführung sprechen, ist das unredlich. Denn aus den geleakten Emails in der Adidas-Sache geht hervor: sie haben weiter Probleme mit ihrer Führung", sagt Simon Chadwick, Professor für Sportunternehmensführung an der University of Salford am Mittwoch (11.09.2019) gegenüber WDR Sport inside und der SZ. Geld schlüge eben Alles und unter dem neuen Präsidenten Infantino hätten sich nur die Gesichter geändert, "aber die Geschichte ist die gleiche geblieben: Niemand weiß wirklich, was in der FIFA passiert."

FIFA schweigt zu Vorwürfen

Auf Anfrage distanzieren sich weder die FIFA noch der stellvertretende Generalsekretär Alasdair Bell von den Korruptionsanschuldigungen ("Bestechungsgelder"). Fakt ist: Dokumentiert ist tatsächlich ein Schmiergeldsystem, das Gelder an den Mann, sprich hohe Sportfunktionäre brachte, auch an die der FIFA. Verteilt über die Vermarktungsagentur ISL, geschaffen von Horst Dassler, ehemaliger Konzernchefs von Adidas, der 1986 verstarb. Insgesamt 142 Millionen Schweizer Franken wechselten so in der letzten Dekade des vorigen Jahrtausends den Besitzer. Bell bringt nun aber Adidas konkret mit Korruption in Verbindung – und die FIFA schweigt dazu: "Generell kommentieren wir den internen Austausch unter Fifa-Kollegen nicht." Ähnlich äußert sich Adidas zum FIFA-eigenen Umgang unter Geschäftsfreunden, konkret wolle man sich nicht äußern, dankt aber für "die Aussagen und Fragen."

Der Umgangston im Weltsport wird ungemütlicher - und die FIFA, die so gerne mit Fair Play wirbt zeigt einmal mehr, dass diese Worte nur leeres Gerede sind, wenn es um die eigenen Geschäftspraktiken geht.

Quelle: red