Stichtag

10. Februar 2009 - Vor 115 Jahren: Britischer Staatsmann Harold Macmillan geboren

Selbst in einem der bizarrsten Augenblicke des Kalten Kriegs behält Harold Macmillan seinen bekannten Sinn für britischen Humor. Als Parteichef Nikita Chruschtschow 1960 vor den Vereinten Nationen lautstark argumentiert, indem er mit Faust und Schuh auf sein Pult eintrommelt, antwortet Großbritanniens Premierminister trocken: "Ich hätte gern eine Übersetzung - wenn es wichtig war." Zu diesem Zeitpunkt bewegt sich "Supermac", wie die internationale Presse den etwas altmodisch wirkenden Gentleman gern nennt, auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere. Erst drei Jahre zuvor, im Januar 1957, ist Harold Macmillan 62-jährig zum britischen Regierungschef gewählt worden. Mit einer für einen konservativen  Tory überraschend linken Sozialpolitik sichert er sich die Unterstützung der breiten Bevölkerung. Außenpolitisch genießt der vielgereiste Brite als geduldiger Vermittler im Kalten Krieg weltweit großes Ansehen. Trotzdem muss Macmillan sein Amt nur drei Jahre nach der UN-Begegnung mit Chruschtschow wieder aufgeben.

Als der Sohn des schottischen Verlegers Maurice Macmillan am 10. Februar 1894 geboren wird, regiert Queen Victoria noch über das weltumspannende British Empire. Nach einem hervorragenden Abschluss in Eton erlebt Harold 1916 als Frontsoldat die Schlacht an der Somme mit und wird schwer verwundet. Nach dem Krieg wird Macmillan Teilhaber des väterlichen Verlagshauses, später dann für viele Jahre dessen Chef. Ab 1924 politisch aktiv, arbeitet er sich in der Londoner Administration nach oben. Im Zweiten Weltkrieg ernennt Churchill den begabten Diplomaten zum Staatssekretär in Nordafrika. Den dunkelsten Punkt seiner Laufbahn erreicht Macmillan 1945 als Vorsitzender des Alliierten Komitees für Italien. In dieser Eigenschaft soll er maßgeblich an der Auslieferung von bis zu 70.000 antikommunistischen Kosaken und Weißrussen an Stalin mitgewirkt haben. Die allermeisten von ihnen werden umgebracht.

Nach der für Großbritannien demütigenden Niederlage im Suezkrieg 1956 muss Premierminister Anthony Eden den Hut nehmen. Seinem Nachfolger, der bereits Erfahrungen als Verteidigungs- und Außenminister sowie als Chef des Schatzamtes gesammelt hat, hinterlässt er schwere wirtschaftliche Probleme und ein tief gestörtes Verhältnis zu den USA. Doch der stets unerschütterliche Ruhe und Optimismus ausstrahlende Macmillan sorgt innen- wie außenpolitisch überraschend schnell für die ersehnte Wende. Er löst die drängendsten Probleme der Entkolonialisierung, verständigt sich mit US-Präsident Kennedy und reist als erster westlicher Regierungschef nach Moskau. Nach Zustandekommen des von ihm maßgeblich initiierten Atomwaffensperrvertrags ruft MacMillan seinen Landsleuten stolz zu: "Ihr habt es noch nie so gut gehabt." Bei den Unterhauswahlen 1959 können die Konservativen ihre Mehrheit unter seiner Führung verdoppeln.Doch Anfang der 60er Jahre schädigt eine Serie von Fehlschlägen und Pannen Macmillans Ansehen. Zunächst schmettert Frankreichs Präsident De Gaulle den britischen Aufnahmeantrag in die EWG ab, dann verabschiedet sich Kennedy von der gemeinsam geplanten Atomwaffenstrategie. Als nach gravierenden Spionageskandalen auch noch das damalige Callgirl Christine Keeler als Bettgenossin von Heeresminister John Profumo enttarnt wird, ist die Glaubwürdigkeit des Premierministers ramponiert. Am 10. Oktober 1963 tritt "Supermac" aus gesundheitlichen Gründen von allen Ämtern zurück. Als hoch geschätzter Elder Statesman und zum Earl of Stockton in den erblichen Adel erhoben, stirbt Harold Macmillan  am 29. Dezember 1986.

Stand: 10.02.09