Demonstranten vor einem Panzer, auf dem Soldaten stehen

19. August 1991 - Putschversuch in der UdSSR gegen Michail Gorbatschow

Stand: 19.08.2016, 00:00 Uhr

Lange hat Staatspräsident Michail Gorbatschow verhandeln müssen, bis die sowjetischen Teilrepubliken einer demokratischeren Struktur der UdSSR zustimmen. Am 20. August 1991 soll der neue Unionsvertrag unterzeichnet werden. Durch ihn werden die Teilrepubliken zu autonomen Mitgliedern einer Föderation, mit einem Präsidenten an der Spitze, einer gemeinsamen Außenpolitik und einem gemeinsamen Verteidigungsapparat.

Eduard Schewadnardse, der sowjetische Außenminister, hatte Gorbatschow gewarnt: Die alten kommunistischen Führungskader würden ihrer Entmachtung nicht tatenlos zuschauen. Listen, mit wem nach einer Machtergreifung abzurechnen sei, lägen bereits vor. Dennoch reist Gorbatschow vor der Vertragsunterzeichnung wie geplant in den Urlaub auf die Krim. Am 18. August umstellen bewaffnete Putschisten die Präsidenten-Datscha, unterbrechen alle Kontakte zur Außenwelt und stellen Gorbatschow unter Hausarrest. 

Jelzin bietet Putschisten die Stirn

Am frühen Morgen des 19. August 1991 teilt der sowjetische Vize-Präsident Gennadij Janajew über die die amtliche Nachrichtenagentur TASS mit: "Im Zusammenhang mit der gesundheitsbedingten Unfähigkeit von Michail Sergejewitsch Gorbatschow, seine Pflichten als sowjetischer Präsident wahrzunehmen, habe ich (…) die Pflichten des Präsidenten der Sowjetunion übernommen." Ein "Staatskomitee für den Ausnahmezustand" übe nun die Macht aus. Zu den acht Mitgliedern gehören neben Jajanew unter anderem Verteidigungsminister Dmitri Jasow, Premierminister Valentin Pawlow, Innenminister Boris Pugo und KGB-Chef Vladimir Krjutschkow. Alle sind erst von Gorbatschow in ihre Ämter berufen worden. Ihren Staatsstreich bezeichnen die Putschisten als unausweichlich, da Gorbatschows Reformen "in eine Sackgasse geraten" seien und das Land "unregierbar" gemacht hätten.

Mit seiner Politik der Offenheit (Glasnost) und Umgestaltung (Perestroika) hat Gorbatschow zwar für mehr Privatwirtschaft und Demokratie gesorgt. Doch er wird auch für den Niedergang der Sowjetunion verantwortlich gemacht. Der Warschauer Pakt löst sich auf, die Kriminalität nimmt zu und viele Menschen müssen wegen Missernten hungern. Am ersten Putschtag beziehen tausende Soldaten in Moskau mit Panzern Stellung vor dem Kreml und dem Weißen Haus, dem Sitz der russischen Regierung. Die "Notstands"-Junta versäumt es aber, auch Boris Jelzin, den erst zwei Monate zuvor gewählten Präsident Russlands, festzusetzen. Als der Reform-Mitstreiter Gorbatschows von dem Putsch erfährt, bricht er sofort seinen Urlaub außerhalb Moskaus ab und fährt zum Weißen Haus. Dort steigt Jelzin auf einen Panzer, fordert energisch zum Widerstand gegen die Putschisten auf und ruft den Generalstreik aus.

Pyrrhus-Sieg für Gorbatschow

Panzern und Kalaschnikows zum Trotz folgen zehntausende Moskauer Jelzins Aufruf. Sie versammeln sich vor dem Weißen Haus, bilden Menschenketten und stecken Blumen in die Geschützrohre. Am Abend erklärt sich die erste Panzerdivision mit ihnen solidarisch. Doch in der zweiten Nacht greifen Militärs die Menge an, drei Demonstranten werden dabei getötet.  Die Panzer fahren sich aber an eilig errichteten Barrikaden fest. Am 21. August steht die Mehrheit der Soldaten auf Seiten der Demonstranten. Daraufhin werden die Truppen zurückgezogen, und Jelzin lässt die Mitglieder des Putschisten-Komitees verhaften. Nach 72 Stunden Aufruhr kann Gorbatschow ins Präsidentenamt zurückkehren. Seine Macht jedoch hat er verloren. Nicht der sowjetische, sondern der russische Präsident entscheidet von nun an über den Wandel in der Sowjetunion.

Er habe den Putschisten den Coup nicht zugetraut, gesteht Gorbatschow später dem "Spiegel"-Magazin: "Ich dachte, das müssten Idioten sein, wenn sie gerade in diesem Moment va banque spielen würden. Aber es waren leider wirklich Idioten, sie machten alles kaputt." Entgegen seinen Plänen beschließt der Oberste Sowjet, das höchste Organ der UdSSR, die Umwandlung in eine Föderation souveräner Staaten. Im Dezember 1991 bilden Russland, Ukraine und Weißrussland die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS). Am selben Tag tritt Michail Gorbatschow als letzter Sowjetführer von allen Ämtern zurück. Der neue Mann an der Spitze heißt nun Boris Jelzin.

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. August 2016 ebenfalls an den Putschversuch gegen Gorbatschow. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

Stichtag am 20.08.2016: Vor 15 Jahren: Britischer Astronom Sir Fred Hoyle stirbt