Ein so genannter Volksempfänger aus der Zeit des Nationalsozialismus

17. September 1941 - Todesurteile für das Hören ausländischer Rundfunksender

Stand: 17.09.2016, 00:00 Uhr

Im inneren Machtzirkel der Nationalsozialisten herrscht Konkurrenz. Jeder kämpft um die Gunst von Adolf Hitler. Kurz vor dem deutschen Angriff auf Polen ist zum Beispiel die Stellung von Propagandaminister Joseph Goebbels geschwächt. Er gilt als "Bock vom Babelsberg", weil die tschechische Filmschauspielerin Lida Baarova seine Geliebte ist. Seine deutsche Frau Magda, mit der Goebbels fünf Kinder hat, will sich deshalb scheiden lassen. Als Hitler davon erfährt, müssen sich Joseph und Magda versöhnen, um weiteres Gerede zu unterbinden.

Nach dieser Schmach will Goebbels beim "Führer" wieder punkten. Da er als Propagandaminister unter anderem auch den deutschen Radiobetrieb kontrolliert, nutzt Goebbels dafür den Kriegsbeginn. Am 1. September 1939 versucht er, eine "Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen" durchzudrücken. Sie soll von dem für die Kriegsgesetzgebung zuständigen Ministerrat umgehend verabschiedet werden. Noch bevor der Ministerrat am Nachmittag des 1. September zusammentritt, meldet allerdings Reichsjustizminister Franz Gürtner "schwerste Bedenken" an: "Ich befürchte, dass die Verordnung im Volk und in der Welt als ein Beweis für mangelndes Vertrauen zwischen der Regierung und dem deutschen Volk ... aufgefasst werden würde." Der Rat lehnt daraufhin Goebbels' Vorstoß ab.

Goebbels setzt Verordnung durch

Trotzdem setzt sich Goebbels durch: Er hat inzwischen Rudolf Hess auf seine Seite gezogen, den Stellvertreter des Führers. Hess gibt noch am selben Tag der Presse den Auftrag, die Verordnung zu veröffentlichen. "Damit wird sozusagen der ganze Ministerrat düpiert", sagt Historiker Michael P. Hensle, Autor des Buches "Rundfunkverbrechen". "Die konnten dann lesen, dass eine Verordnung verabschiedet worden ist, die sie selber abgelehnt haben." Goebbels ist wieder da - und ab sofort ist das Hören von Auslandssendern verboten. Die Weiterverbreitung abgehörter Nachrichten kann sogar mit der Todesstrafe geahndet werden. In Berlin wird ein 42-jährige Dreher direkt zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Er hatte jeweils zehn Minuten lang Radio Straßburg und BBC gehört.

Goebbels will allein über die veröffentlichte Meinung im "Dritten Reich" bestimmen. Sein größter und verhaßter Konkurrent sitzt in London: Hugh Carleton Greene leitet den deutschen Dienst der BBC und war bis 1939 Korrespondent in Berlin. Damals sah Greene eines Tages, wie Goebbels auf dem Bahnsteig schwadronierte, als Hitler eigentlich mit dem Zug nach Italien abfahren wollte. Der Propagandaminister verpasste die Reise beinahe. "Ein SS-Mann holte Goebbels vom Bahnsteig ins Fenster hinein, als der Zug in Bewegung war", erinnert sich Greene später. Der Minister habe in der Luft mit seinen kleinen Beinen gestrampelt. Greene berichtete darüber - und musste Deutschland verlassen.

Haft und Tod für "Rundfunkverbrechen"

Greene lässt die BBC häufig früher über englische Niederlagen berichten als die deutschen Sender. Damit schafft er Vertrauen bei Deutschen, die heimlich die sogenannten Feindsender hören. Später glauben sie ihm deshalb auch die Meldungen über die alliierten Siege. Greene differenziert: "Friede mit dem deutschen Volk? Jawohl! Friede mit Hitler? Niemals!" Die BBC erreicht nach Schätzungen der Gestapo schon in der ersten Kriegsphase eine Million Zuhörer in Deutschland, bei Kriegsende nach unterschiedlichen Schätzungen bis zu zehn Millionen - trotz aller Strafandrohungen.

Wer erwischt wird, kann hart bestraft werden - auch Ausländer in den besetzten Gebieten. Am 17. September 1941 beginnt ein SS- und Polizeigericht im norwegischen Drontheim, Todesurteile zu verhängen wegen Abhörens und Verbreitung von sogenannten Feindnachrichten. Bereits am 17. Mai 1941 ist der Nürnberger Feuerwehrmann Johann Wild hingerichtet worden. Der Sozialdemokrat habe "nach Kriegsbeginn regelmäßig feindliche Sender abgehört und deren Hetzmeldungen in Schmähschriften verbreitet", heißt es in einer "Bekanntmachung" des Nürnberger Oberstaatsanwaltes.

Üblicherweise werden "Rundfunkverbrechen" im "Dritten Reich" mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft, Todesurteile bleiben die Ausnahme. Historiker Hensle schätzt sie auf maximal zwei Dutzend. Neben der BBC ist der Schweizer Sender Beromünster der bliebteste Auslandsender. Dort werden sowohl die die deutschen als auch die alliierten Frontberichte verlesen.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 17. September 2016 ebenfalls an die ersten Todesurteile für das Hören von ausländischen Rundfunksendern. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

Stichtag am 18.09.2016: Vor 165 Jahren: Erste Nummer der "New York Daily Times" erscheint