Moskau, 1. November 1987: Rechtzeitig zu den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Oktoberrevolution wird das mit großem Aufwand angekündigte Buch "Perestroika" ("Umgestaltung") von Michail Gorbatschow der Öffenlichtkeit präsentiert. Auf Anfrage eines amerikanischen Verlages hat der KPdSU-Generalsekretär die Grundlagen seiner Politik niedergeschrieben: Er will die wirtschaftliche und soziale Situation in der Sowjetunion verbessern; er will mit "Glasnost" ("Offenheit") die Stalin-Vergangenheit aufarbeiten; er will das Ende des Kalten Krieges. Das Buch hat eine Startauflage von 300.000 Exemplaren. Es erscheint in russischer und - gleichzeitig in den USA - in englischer Sprache. Der erste Satz des Vorwortes lautet: "Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich mich direkt an die Bevölkerung in der UdSSR, in den USA und in anderen Ländern wenden möchte."
Der Westen reagiert auf Gorbatschows Buch mit einer Mischung aus Hoffnung und Skepsis. Der Kreml-Chef rechnet darin zwar mit der alten Parteiführung ab, schreibt aber auch von einer "neuen Revolution". Die "Perestroika" sei ein Sprung nach vorn in der Entwicklung des Sozialismus: "Wir sind überzeugt, dass der Sozialismus weit mehr erreichen kann als der Kapitalismus". Das Potenzial des Sozialismus müsse mobilisiert und die Vorteile der Planwirtschaft genutzt werden. Gleichzeitig widerspricht der Generalsekretär jedoch der Vermutung, den Kommunismus auf der ganzen Welt einführen zu wollen.
Gorbatschow, der seit 1985 an der Macht ist, ist auch in den eigenen Reihen umstritten. Die konservativen Kommunisten fürchten nicht nur um ihre Posten, sondern auch um die Einheit der Sowjetunion. Als Gorbatschow 1989 den Fall der Mauer zulässt, fühlen sich die alten Kader bestätigt. Zwei Jahre später versuchen sie, Gorbatschow zu stürzen. Obwohl der Putsch im August 1991 nach drei Tagen misslingt, ist auch Gorbatschows "Perestroika" am Ende. Er erreicht sein Ziel einer modernisierten sozialistischen Gesellschaft nicht. Die Sowjetunion zerfällt und bereits im Dezember 1991 gründet sich die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Für Gorbatschow ist es das Ende seiner politischen Karriere.
Stand: 01.11.07