Babypuppen in Gläsern mit Label "Patent" / Greenpeace-Protestaktion 2003

25. November 2001 - Angeblich erster menschlicher Embryo geklont

Stand: 25.11.2016, 00:00 Uhr

Die Pressemeldung im Online-Fachmagazin "Journal of Regenerative Medicine" spart nicht mit großen Worten. Ein "wichtiger Meilenstein" der Klon-Forschung sei zu feiern, verkünden drei Forscher der US-Firma Advanced Cell Technology Inc. (ACT) in Massachusetts am 25. November 2001. Nach monatelanger Arbeit sei es gelungen, erstmals im Labor einen menschlichen Embryo zu erzeugen.

Die angebliche ACT-Sensation stößt nicht nur in den USA auf massive Kritik. Unisono mit dem Papst lehnt Präsident George W. Bush das Klonen von Menschen entschieden ab. Ein gesetzliches Verbot hat er bereits auf den Weg gebracht. Der Vatikan lässt verlauten, das universale Gewissen müsse solch willkürliche Eingriffe bremsen. Die deutsche Bundesärztekammer wertet den vermeintlichen Durchbruch als Tabubruch und spricht von einem "Alptraum". NRW-CDU-Chef Jürgen Rüttgers erklärt, für ihn es sei "eine Horrorvorstellung", dass es völlig identische Menschen geben könnte.

Stammzellen-Import aus dem Ausland

José Cibelli, Robert Lanza und Michael West versichern, Ziel ihrer Zellforschung sei nicht die Aufzucht eines menschlichen Klon-Embryos. Es gehe allein darum, neue biologische Waffen gegen Krankheiten wie Krebs, Alzheimer oder Parkinson zu erschließen. Dazu will Advanced Cell Technology menschliche Stammzellen produzieren, aus denen Haut-, Nerven- oder Muskelzellen gewonnen werden können. "Im Grunde wenden sie dasselbe Verfahren an, mit dem auch das Klon-Schaf Dolly erzeugt wurde", erklärt Thomas Heinemann, Professor für Ethik, Theorie und Geschichte der Medizin. "Sie haben eine menschliche Eizelle genommen, den Zellkern heraus operiert und ihn in eine menschliche Körperzelle implantiert."

In Deutschland sind solche Experimente sowie das Zerstören von menschlichen Embryos verboten. "Genau das muss man aber, um embryonale Stammzelllinien herzustellen", betont Heinemann. Deshalb habe sich die Debatte in Deutschland um die Frage gedreht: "Müssen wir das Embryonenschutzgesetz ändern, sollen wir diese Forschung überhaupt sein lassen oder gibt es andere Wege, um an embryonale Stammzellen heranzukommen?" Im Juli 2003 verabschiedet der Bundestag ein neues Stammzellengesetz, das deutschen Forschern unter bestimmten Bedingungen erlaubt, Embryozellen aus dem Ausland einzuführen.

ACT-Embryo überlebt nur fünf Tage

Die Versuche mit embryonalen Stammzellen bleiben ethisch umstritten und sind trotz einiger Fortschritte bis heute wenig erfolgreich – ganz so wie auch das "Meilenstein"-Experiment von ATC vor 15 Jahren. Denn die von Cibelli, Lanza und West manipulierten Eizellen hatten die Zellteilung nach drei Teilungsschritten eingestellt. Die Zahl der produzierten Zellen war damit viel zu gering, um daraus Stammzellen gewinnen zu können. Auch dass kein in der Petrischale erzeugter Embryo länger als fünf Tage überlebt hat, verschweigen die drei ACT-Forscher in ihrer so Aufsehen erregenden Presseerklärung.

Von den erhofften neuen Heilmethoden durch künstlich gewonnene Stammzellen sei die Wissenschaft noch weit entfernt, urteilt der Medizin-Experte Thomas Heinemann. Erfolgversprechender sei ohnehin, erwachsene Zellen in ihr Ursprungs-Stadium zu versetzen und dann umzuprogrammieren. Wie schon vor 15 Jahren bemühe sich die Forschung aber noch immer darum, "die verschiedenen Zellsysteme zu verstehen, was sie können, was sie machen", so Heinemann in einem WDR-Interview. "All die therapeutischen Perspektiven, die immer hinein gelesen werden, sollte man derzeit nur ganz zurückhaltend nennen."

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