Wenn Charlie Parker beim Spielen an eine Frau denkt, kann man die Farbe ihres Kleides hören. Das jedenfalls behauptet der Bassist Charles Mingus. Und für den Kontrabassisten Gene Ramey hört Parker selbst in vorbeifahrenden Autos oder im Rascheln der Blätter Musik: "Eine kleine Bewegung nur, ein Gesichtsausdruck, das alles konnte ihm die Idee für etwas liefern, was er dann in seinem Solo spielte."
Tatsache ist, dass Parker – Spitzname "Bird" ("Vogel") – mit seinem Altsaxophon den Jazz des 20. Jahrhunderts wie kaum ein anderer prägt. Denn er erweitert das Repertoire um völlig neue Facetten.
Lebenslange Drogensucht
Geboren wird Parker am 29. August 1920 in Kansas City, USA, und wächst in der Nähe des dortigen Vergnügungsviertels auf. Während der Highschool spielt er zunächst Horn und Klarinette. Mit 15 Jahren bereits macht er professionell Musik. Zehn bis 15 Stunden täglich spielt er auf dem Saxophon. 1936 überschlägt sich der Wagen seiner Band bei der Fahrt zu einem Auftritt. Gegen die Schmerzen seiner Rippenbrüche erhält Parker Morphium – der Beginn einer lebenslangen Drogensucht mit Heroin und Alkohol.
Mit dem Geld, das die Versicherung nach dem Unfall zahlt, kauft sich Parker ein gutes Saxophon. Mit 18 geht er nach New York, macht knapp zwei Jahre später mit der Bigband des Pianisten Jay McShann eine Tournee. Nach seinem Rausschmiss experimentiert er mit dem kongenialen Trompeter Dizzy Gillespie: Mit ihren rasend schnellen Themen entwickeln sie in den Clubs den Jazz rhythmisch und harmonisch weiter.
Erfinder des Bebop
Parker und Gillespie touren mit der Band des Pianisten Earl Hines und geben dem Swing allmählich eine neue Richtung, die schließlich in den neuen, viel kunstvoller ausgerichteten Stil des Bebop mündet. Es ist die Geburtsstunde des eher improvisierenden Modern Jazz.
1945 macht Parker erste Plattenaufnahmen unter seinem Namen. In der Folge entstehen einige der bahnbrechendsten Einspielungen der Jazzgeschichte – wobei sich Parker etwa bei der Ballade "Lover Man" unter Drogeneinfluss kaum auf den Beinen halten kann.
Inzwischen ist Parker der Liebling nicht nur der New Yorker Intellektuellenszene. Er spielt mit seinem Quartett im legendären Club "Three Deuces" und bei Festivals. Der Club "Birdland" wird nach ihm benannt. Parker stirbt 1955 mit 34 Jahren an Herzversagen, verbunden mit einer Lungenentzündung und Leberzirrhose. Bei der Obduktion wird sein Alter auf 50 bis 60 Jahre geschätzt.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 29. August 2020 ebenfalls an Charlie Parker. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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