Bunte Luftballons regnen bei der Fernseh-Fastnachtssitzung "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht " auf die Zuschauer herunter.

Stichtag

17. Februar 1955 – Erste Karnevalssitzung im deutschen Fernsehen

Karnevalistisch schreiben die dritten Programme in den 50er Jahren Humorgeschichte. 1953 überträgt der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) für rund 4.000 Fernseher zum ersten Mal den Kölner Rosenmontagszug. Zwei Jahre später gibt es schon 100.000 Geräte. Vor ihnen versammelt sich Deutschlands närrische Gemeinde, als am 17. Februar 1955 mit "Mainz, wie es singt und lacht" im Südwestrundfunk (SWR) die erste Karnevalssitzung über die Bildschirme flimmert. Gesendet wird eine so genannte Aufschaltung: Der SWR geht um 21 Uhr 20 ins laufende Programm, um nach einer Stunde Live-Übertragung abzubrechen.

"Die Familien haben sich verabredet, jeder hat etwas zum Essen und zum Trinken mitgebracht", erinnert sich der ehemalige Moderator des Mainzer Rosenmontagszuges, Günter Jung. "Da war dort das Wohnzimmer geschmückt, da saßen 15 oder 20 Leute, guckten sich die Sitzung an, haben mitgeschunkelt, wenn geschunkelt wurde. Ich glaube, das war das wesentliche Merkmal, das dafür gesorgt hat, dass diese Sitzung diesen Nimbus bekommen hat."

"So ein Tag, so wundervoll wie heute"

Ihre närrische Initialzündung im TV hat die "Meenzer Fassenacht" ausgerechnet im närrischen Feindesland: in Köln. Anfang 1955 reist eine Mainzer Delegation von Prinz Alexander I. zur dortigen Prinzenproklamation, die im Fernsehen übertragen wird. Mit dabei sind die Mainzer Hofsänger, die vor laufender Kamera "So ein Tag, so wunderschön wie heute ..." zum Besten geben. Das Kölner Publikum ist ebenso begeistert wie die Menschen vor dem Fernseher, die das Lied kurz darauf bei "Mainz, wie es singt und lacht" in der guten Stube hören.

Bei der ersten Karnevalssitzung im deutschen Fernsehen sind mit dem Büttenredner Herbert Bonewitz und dem Putzfrauenduo "Frau Babbisch und Frau Struwwelisch" bereits zwei Fastnachtsurgesteine mit von der Partie – ebenso wie der singende Dachdecker Ernst Neger, der bis 1979 mit Hits wie "Heile, heile Gänsje", "Meenz bleibt Meenz" und "Rucki-Zucki" für Furore sorgt. Er verbindet Wehmut über das im Krieg zerstörte Mainz und die verlorenen Zeiten so gekonnt mit schwunghafter Stimmung, dass beim Schunkeln manche Träne fließt.

Kampf um die Narrenhoheit

1963 erhält Mainz mit dem ZDF einen eigenen Heimsender. Zwei Jahre später meldet das Zweite Hausrecht an und steigt mit der Konkurrenzsitzung "Mainz bleibt Mainz" in die Bütt. Mit dabei ist auch das "Meenzer Meedche" Margit Sponheimer, die später mit "Gell, du hast mich gelle gern" und "Am Rosenmontag bin ich geboren" Evergreens der karnevalistischen Unterhaltung liefert. Zwei Wochen nach der Übertragung kontert "Mainz, wie es singt und lacht" mit Ernst Neger, dessen "Humba Humba täterä" zum Publikumsaufstand führt: Der Saal tobt vor Begeisterung, niemand hält es auf den Stühlen, die Live-Übertragung droht vollkommen aus dem Ruder zu laufen. Eine Stunde Überziehung ist die Folge.

Seit 1973 präsentieren SWR und ZDF in jährlichem Wechsel die Gemeinschaftssendung "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht". Vieles hat sich seitdem verändert – die opernhaften Mainzer Hofsänger allerdings sind immer noch dabei. Heute erreicht die Sendung rund 5,7 Millionen Zuschauer.

Stand: 17.02.2015

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