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Satire Deluxe mit Axel Naumer & Henning Bornemann
Schatten des Mondes bedeckt die Sonne

6. April 648 v. Chr. - Die Sonnenfinsternis des Archilochos

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Und der Schatten einer Sonnenfinsternis ist besonders groß. In der Antike verheißt das nichts Gutes. Das gilt auch für die Sonnenfinsternis des Archilochos - heute vor 2.670 Jahren.

Es ist der 6. April des Jahres 648 vor Christus. Um 9.54 Uhr verfinstert sich die Sonne über der Ägäis und lässt das Volk in Angst und Schrecken zurück. "Kalte Grauen" habe die Menschen befallen, schreibt der griechische Dichter Archilochos, der zum Zeugen dieses Himmelsschauspiels wird. "Nichts kann mich noch überraschen, (...) auf nichts kann ich noch schwören", jetzt da Göttervater Zeus "aus dem Mittag Nacht gemacht".

Zwar sind die Verse von Archilochos nur als Fragment überliefert, doch sie zeigen eindrucksvoll, was die Menschen empfinden, als sich plötzlich der Vollmond vor die Sonne schiebt. Kai Trampedach, Professor für Alte Geschichte an der Universität Heidelberg, kann die Angst gut nachvollziehen: Solch ein Ereignis "unterbricht den natürlichen Lauf der Dinge. Das verursacht Furcht in Gesellschaften, die sich diese Unterbrechung nicht erklären können".

Die Sonnenfinsternis des Archilochos (am 6.4.648 v.Chr.)

WDR ZeitZeichen 06.04.2023 15:05 Min. Verfügbar bis 06.04.2099 WDR 5


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Die Unwissenheit ist ein Grund, warum die Menschen in der Antike die Sonnenfinsternis als unheilvolles Zeichen der Götter auslegen. Ein anderer ist, dass die Deutung von furchteinflößenden Ereignissen als Götterzeichen etwas Entlastendes hat: Die existenziellen Unsicherheiten des Lebens und die Bedrohungen der Welt werden erklär- und damit handhabbar.

Sterndeutungs-Industrie im alten Babylon

Das ersetzt jedoch nicht den Wunsch der Menschen, bereits im Vorfeld zu wissen, was kommt. Schon vor 4.000 Jahren beschäftigen chinesische Herrscher ganze Scharen von Astrologen, um den Zeitpunkt zu errechnen, wann sich der Mond vor die Sonnenscheibe schiebt. Nie aber ist das Bedürfnis nach Gewissheit so ausdauernd und systematisch, wie im alten Babylon. Um die gleiche Zeit, von der die Sonnenfinsternis des Archilochos berichtet, existiert im Zweistromland schon eine ganze Sterndeutungs-Industrie.

Unzählige Hofastronomen, die sogenannten "Wächter", betreiben im ganzen Land Sternwarten. Als amtliche Interpreten des göttlichen Willens protokollieren sie minutiös alle Vorkommnisse am Firmament. Zahlreiche Aufzeichnungen sind überliefert, in denen mögliche Sonnenfinsternisse präzise vorhergesagt werden. Dabei verbinden sich Mythologie und Religion mit (vor-)wissenschaftlichen Methoden.

Der beträchtliche Aufwand, den die babylonischen - und später die assyrischen - Herrscher bei der Sonnenbeobachtung betreiben, ist aber vor allem auch Selbstschutz. Denn die Dunkelheit mitten am Tag bedeutet für sie eine Bedrohung der Weltordnung - und damit ihrer Macht.

Minutengenaue Berechnungen

Bis es jedoch möglich ist, Ort und Zeitpunkt einer Sonnenfinsternis exakt zu berechnen, vergehen noch Jahrtausende. Im Jahr 1715 gelingt es dem englischen Hofastronomen Edmond Halley, den Weg des Kernschattens einer totalen Sonnenfinsternis über Südengland vorherzusagen - und zwar auf die Minute.

Inzwischen lassen sich nicht nur künftige, sondern auch vergangene Sonnenfinsternisse genau datieren - auch die des Archilochos heute vor 2.670 Jahren. Sie gilt als das früheste gesicherte Datum der gesamten griechischen Geschichte.

Autor des Hörfunkbeitrags: Martin Herzog
Redaktion: Matti Hesse​

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