Nürnberger Prozesse, 1. Reihe v.l. Hermann Göring, Rudolf Heß, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel dahinter 2. Reihe: Erich Raeder, Baldur von Schirach, Fritz Sauckel

31. August 1946 - Schlussworte der Angeklagten im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess

Stand: 25.08.2021, 15:07 Uhr

Das internationale Militärtribunal von Nürnberg gegen die Köpfe des nationalsozialistischen Regimes gilt heute als Geburtsstunde des Völkerstrafrechts. Erstmals müssen sich damals Politiker, Militärs und Funktionäre für Gräueltaten verantworten. Ein Schuldeingeständnis gibt keiner der Angeklagten ab. Verantwortlich war immer und allein nur der Führer.

Nürnberger Prozesse: Schlussworte der Angeklagten (am 31.08.1946)

WDR ZeitZeichen 31.08.2021 14:41 Min. Verfügbar bis 01.09.2099 WDR 5


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Dieser Prozess stehe einzig da in der Geschichte des Rechts, erklärt Sir Geoffrey Lawrence, einzig in seiner Bedeutung für die Menschheit. Als Vorsitzender Richter des Internationalen Militärgerichtshofs in Nürnberg verhandelt er seit November 1945 gegen die Führungsriege des Nazi-Regimes. Die Anklagepunkte lauten: Verbrechen gegen den Frieden, Planung, Entfesselung und Führen eines Angriffskrieges, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Hitler, Goebbels und Himmler waren bereits tot. So hatten sich die Alliierten auf die Anklage von 24 überlebende Nazi-Politiker, Militärs und Funktionäre als Hauptkriegsverbrecher geeinigt– allen voran Hermann Göring, Hitler-Vize Rudolf Heß und Wehrmachtschef Wilhelm Keitel.

Auf der Anklagebank sitzen jedoch nur 21 Männer: Robert Ley, Chef der Arbeitsfront, hat sich in seiner Zelle erhängt, NSDAP-Topfunktionär Martin Bormann ist nicht auffindbar und der Industrielle Gustav Krupp von Bohlen und Halbach nicht verhandlungsfähig.

Lügen, leugnen, abwälzen

Rudolf Heß, der 1941 mit seinem Flug nach London Aufsehen erregt hatte, leidet angeblich unter völligem Gedächtnisschwund. Der Gerichtspsychologe Gustave M. Gilbert berichtet später, Göring sei von Heß' Verrücktheit überzeugt gewesen, seit der zu ihm gesagt habe: "Göring, Sie werden sehen, dieser Spuk verschwindet und Sie werden in einem Monat wieder der Führer Deutschlands sein!"

Nach neun Monaten Prozessdauer geben die Angeklagten am 31. August 1946 ihre Schlussworte vor dem Militärtribunal ab. Die meisten räumen zwar ein, dass fürchterliche Verbrechen begangen wurden. Doch jeder bestreitet seine eigene Verantwortung, behauptet, er habe in gutem Glauben und Unkenntnis der Gesamtlage gehandelt oder pflichtschuldig Befehle befolgt. Verantwortlich ist für alle immer nur einer: Adolf Hitler persönlich.

Göring, der sich als die Nummer zwei hinter dem Führer geriert, macht sich keine Illusionen über sein Schicksal. In seiner Rede versucht er, sein Bild als Staatsmann vor der Geschichte zu polieren. Zu keinem Zeitpunkt habe er irgendeinen Mord befohlen, erklärt er. "Und ebenso wenig sonstige Grausamkeiten angeordnet oder geduldet, wo ich die Macht und das Wissen gehabt hatte, solche zu verhindern."

Speers Teilgeständnis

Während der Schlussworte, so erinnert sich der Psychologe Gilbert, findet Rudolf Hess nach paranoiden Abschweifungen plötzlich sein Gedächtnis wieder und erklärt: "Ich setze mich nicht mit Vorwürfen auseinander, die sich mit innerdeutschen Angelegenheiten befassen und daher Ausländer nichts angehen."

Albert Speer (r.) und Adolf Hitler 1940

Albert Speer (r.) und Adolf Hitler 1940

Nur der wohl klügste Angeklagte verfolgt eine andere Strategie. Albert Speer, Hitlers Architekt und Rüstungsminister, erkennt seine Gesamtverantwortung für die Verbrechen des NS-Staates an, weist aber persönliche Schuld weit von sich. Speers tatsächliche Rolle beim Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Insassen in Rüstungsbetrieben bleibt im Dunklen.

Göring entgeht dem Galgen

In den Schlussplädoyers fordern nur drei Verteidiger Freisprüche: für Julius Streicher, Herausgeber des Hetzblattes "Der Stürmer", sowie für die Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht und Walther Funk. Die französische und die sowjetische Anklage fordern die Todesstrafe für alle Angeklagten, der britische Ankläger plädiert auf unterschiedliche Urteile, die US-Anklage enthält sich einer klaren Empfehlung.

Am 30. September und 1. Oktober 1946 verkündet Lordrichter Lawrence im Nürnberger Justizpalast die Urteile. Zwölf Angeklagte werden zum Tod durch den Strang verurteilt; sieben Naziführer, unter ihnen Albert Speer, erhalten langjährige bis lebenslange Haftstrafen. Dreimal lautet der Richterspruch "nicht schuldig".

Zwei Wochen später werden die Todesurteile in der Sporthalle des angrenzenden Gefängnisses vollstreckt. Nur Hermann Göring entgeht dem Henker. Drei Stunden vor dem Gang zum Galgen bringt er sich mit einer eingeschmuggelten Kapsel Zyankali um.

Autor des Hörfunkbeitrags: Martina Meißner
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 31. August 2021 an die Schlussworte der Angeklagten im Nürnberger Prozess. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.

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