Als Tochter eines Philosophen und einer Frauenrechtlerin wird Mary Godwin in London geboren. Marys Mutter stirbt im Kindbett. Die Tochter kompensiert Trauer und Einsamkeit durch die Lektüre der Bücher, die ihr der Vater hinlegt. „Bookish“ nennt man das damals spöttisch: Mary ist eine Büchernärrin, was nicht unbedingt ins Frauenideal der Zeit passt.
Die Erziehung Marys ist standesgemäß. Doch dann treten die englischen Romantiker Lord Byron und Percy Bysshe Shelley in ihr Leben - mit dem verheirateten Shelley hat sie mehrere Kinder.
"Natürliche Würde" und "Brillanz"
Mary Shelley im Alter von 19
Percy Shelley weiß, wie er die Träume junger, gebildeter Frauen einfängt. Er sieht blendend aus, schwärmt für die soziale Revolution. Über Mary schreibt er: "Sie ist sanft und zart, und dennoch zu glühender Empörung und Hass sehr wohl fähig. Wie bereitwillig bekannte ich, dass sie mich an Originalität, natürlicher Würde und Brillanz weit übertraf"
Die Geburt des "Frankenstein"
Die berühmteste Episode aus dem gemeinsamen Leben des Paares und ihres Freundeskreises spielt sich in Cologny am Genfer See ab: Als dort eine Gesellschaft um die Shelleys und Byrons im regnerischen Sommer 1816 ihre Abende mit der Erzählung von Geschichten verbringt, trägt Mary die Geschichte vom "modernen Prometheus" vor, der sie unter dem Titel "Frankenstein" weltberühmt machen wird.
"Frankenstein"-Verfilmung von 1931
In Marys Schauergeschichte flickt der Schweizer Wissenschaftler Victor Frankenstein aus menschlichen Leichenstücken einen künstlichen Menschen zusammen, den er durch Elektrizität belebt. Aber das erhoffte Prachtstück hat einen Kunstfehler: Sein Schöpfer sieht in ihm ein Monster - die fehlende Liebe des Dr. Frankenstein und der Gesellschaft lässt das Wesen dann auch tatsächlich zu einem mordenden Monster werden.
1822 kommt Marys Mann bei einem Segelunfall in Italien ums Leben. Lord Byron ist bei der Trauerzeremonie anwesend, der Dichter und Freund. Der frühe Tod mit knapp 30 Jahren macht Percy Shelley zur Legende - das Leben seiner Frau Mary teilt er brutal in zwei Hälften.
Publizistin und Romanautorin
Shelley-Biografin Barbara Sichtermann: "Und dann legte sie los und schrieb für Magazine, also sie arbeitete als Publizistin für ganz gutes Geld. Ihr 'Frankenstein' hatte immerhin einigen Wirbel gemacht, und die Verleger waren auf sie aufmerksam geworden." Als Witwe und alleinerziehende Mutter macht Mary Karriere und schreibt einen Roman nach dem anderen.
Ihr letzter Liebesdienst für ihren verstorbenen Mann ist die Veröffentlichung seiner Werke und Aufzeichnungen. Am Ende reist sie noch einmal auf den Spuren früherer Glücksjahre in den Süden - eine zwiespältige Erfahrung. "Meine Erinnerungen reißen mich in Stücke", schreibt sie über diese Reise. 1851 stirbt Mary Shelley mit 53 Jahren.
Autor des Hörfunkbeitrags: Michael Struck-Schloen
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. August 2022 an die Schriftstellerin Mary Shelley. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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