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William Randolph Hearst, Foto aus dem Jahr 1900

29. April 1863 - Geburtstag des US-Verlegers William Randolph Hearst

Es ist eine amerikanische Erfolgsstory mit fadem Beigeschmack: William Randolph Hearst gilt als Miterfinder der Sensationspresse. Dem Sprössling einer reichen Familie geht es um politische Macht.

Die Geschichte vom Aufstieg William Hearsts zum größten Medienmogul der Vereinigten Staaten beginnt als typisch amerikanischer Mythos - an einem Pokertisch in Kalifornien. Dort soll Hearsts sagenhaft reicher Vater George um 1865 das Lokalblatt "San Francisco Examiner" gewonnen haben.

Sein Sohn William Randolph Hearst wandelt das kleine Zeitungsunternehmen (in Personalunion als Chefredakteur, Herausgeber und Verleger) ab Ende der 1880er-Jahre zu einer wichtigen US-Zeitung auf jeden Fall zur spektakulärsten. Er steigert die Auflage immer weiter - bis jeder in San Francisco, in Oakland, überall wo die Eisenbahn hinkommt, den "Examiner" liest.

Methode: Nachrichten schaffen

Der Jungverleger meint es ernst. Es gelingt ihm Edelfedern wie Ambrose Bierce oder Mark Twain als Autoren zu gewinnen – das Auflagenwunder erklärt die Presse-Archivarin Nancy Loe aber auch mit Hearsts "Philosophie" für das Blatt: "Er schuf buchstäblich Nachrichten. Eine Frau musste zum Beispiel zusammenbrechen, weil er testen wollte, wie die Leute darauf reagierten. Danach veröffentlichte er ein vernichtendes Urteil darüber, wie hilflose Frauen behandelt wurden."

Etwas Citizen Kane, etwas Trump: Medientycoon William R. Hearst

WDR ZeitZeichen 29.04.2023 14:37 Min. Verfügbar bis 29.04.2099 WDR 5


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Der neue Stil kommt gut an, nicht nur in Kalifornien. 1895 mischt Hearst auch den New Yorker Zeitungsmarkt auf. Dort ist Joseph Pulitzer der Platzhirsch und liefert sich mit Hearst einen Kampf um Schlagzeilen und Leser.

Die Abstimmung am Kiosk gewinnt der Millionenerbe aus Kalifornien – nicht nur, weil sein "New York Journal" billiger ist als andere Blättchen, sondern auch weil Hearst seinem Konkurrenten Pulitzer die besten Mitarbeiter abwirbt.

Politisches Scheitern

Hearst geht es um politische Macht. 1897 spielt er seinen publizistischen Einfluss als Verleger aus. Mit markiger Propaganda gegen Spanien treibt er die Vereinigten Staaten in einen Krieg mit der früheren Kolonialmacht um Kuba. Von seinem Scoop beflügelt steigt er Anfang des 20. Jahrhunderts selber in die Politik ein, mit seiner Meinungsmaschine als Verleger im Rücken. Er stilisiert sich als Vertreter der einfachen Leute, der Immigranten und amerikanischen Arbeiter. Doch der Zeitungszar scheitert 1904 beim Rennen der Demokraten um das weiße Haus.

Skrupelloser Geschäftsmann

Nach der Niederlage konzentriert sich Hearst auf die Erweiterung seiner Zeitungen. In wenigen Jahren baut er das größte Presseimperium der USA auf. Er gehört zu den ersten, die in den 1920er-Jahren auf das neue Medium Radio setzen: Hearst kauft Stationen und besitzt 1925 zwei Dutzend Zeitungen in 17 Städten. Der Medientycoon gibt rauschende Partys, wird als großzügiger und einnehmender Gastgeber beschrieben.

Doch hinter der jovialen Fassade verbirgt sich ein skrupelloser Geschäftsmann. Mit seinem Vermögen, seiner Popularität und seiner publizistischen Macht hält sich Hearst für unangreifbar. Doch die Weltwirtschaftskrise 1929 bringt auch William Hearsts Reich ins Wanken. Und in den 1930ern irrlichtert Hearst politisch - wird vom Sympathisanten zum erbitterten Gegner des Nazi-Regimes.

Am 14. August 1951 stirbt William Randolph Hearst mit 88 Jahren - nicht wie im Filmklassiker "Citizen Kane", den Orson Welles mit deutlichen Bezügen zu Hearst macht, einsam in seinem Schloss, sondern in Beverly Hills. Er hinterlässt ein weitgefächertes Medienimperium, das heute noch in den Händen der Hearst-Familie liegt. Zu seinem Nachlass gehört aber auch ein Journalismus, der von Sensationsgier und Populismus lebt.

Autor des Hörfunkbeitrags: Herwig Katzer
Redaktion: David Rother

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 29. April 2023 an den William Randolph Hearst. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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