Der chinesische Paravent mit dem gewaltigen Drachen, der seine fünf kaiserlichen Krallen ausfährt, steht seit Auflösung des Elternhauses im Rheinland bei Nicola Kuhn in Berlin. Die gestickten, silbrig glänzenden Schuppen haben schon immer ihre Fantasie beflügelt, erinnert sich die Kunstkritikerin. Nicola Kuhn wollte wissen, ob es stimmt, was ihre Mutter gern erzählte: Der Paravent sei ein Geschenk des Kaisers von China an den Urgroßvater. Die Urenkelin erfuhr, dass ihr Urgroßvater sein Geld mit der Verproviantierung deutscher Truppen sowohl in China als auch in Deutsch-Südwest-Afrika verdient hat. Die Journalistin begann eine Provenienzrecherche, bei der schnell ein Verdacht im Raum stand: Das Erbstück im Wohnzimmer könnte Raubkunst sein.
Die Familie willigte ein, den Paravent als Forschungsobjekt zur Verfügung zu stellen. In vielen Familien befinden sich solche Souvenirs, die die Vorfahren von Einsätzen in Namibia und China mitgebracht haben, in fast jedem deutschen Museum stehen exotische Stücke. Nicola Kuhn stellte fest: Es lohnt sich, solchen Geschichten wie ihrer auf den Grund zu gehen, selbst wenn das Erbstück letztendlich woanders hingehört.
Buchtipp
Nicola Kuhn: Der chinesische Paravent: Wie der Kolonialismus in deutsche Wohnzimmer kam.
dtv Verlagsgesellschaft, 2024, 368 Seiten, 25 Euro. ISBN-10: 342328403X.
Redaktion: Gundi Große