Wenn die Bundesjugendspiele in ihrer alten Form abgeschafft werden, weil der Leistungsdruck die kleinen Kinderseelen womöglich überfordert. Wenn Klassiker der Kinderliteratur "umgeschrieben" werden müssen. Und wenn jedes Yogastudio mehr Spiritualität bietet als ein Katholikentag: Dann sind das für Harald Martenstein bedenkliche Anzeichen für politische, gesellschaftliche und kulturelle Fehlentwicklungen, in deren Wunden er gnadenlos seinen (schreibenden) Daumen legt. Im vermeintlich Alltäglichen und Nebensächlichen das große Ganze zu erkennen und daraus seine eigenen Urteile abzuleiten, zeichnet den Journalisten Martenstein aus. Das kann auch schon mal ein simpler Doppelpunkt im Satz sein oder – ein Gedankenstrich.
Dass er dabei häufig zu anderen als den gängigen "Narrativen" kommt, gehört seit Jahrzehnten zu seinem Markenzeichen. Er befeuert mit seinen Kolumnen nachhaltig die deutsche Debattenkultur. Und wenn seine Äußerungen zu einer öffentlichen Auseinandersetzung führen, hat er genau das erreicht, was ihm wichtig ist. Dabei bedient er sich gern auch der Möglichkeiten von Humor und Satire. Menschen zum Lachen zu bringen, ist für ihn ein kluges Mittel, um sie aus ihren festgefahrenen Positionen zu befreien: Nur so, davon ist er fest überzeugt, kann man lernen, die Welt ein bisschen besser zu verstehen.
Buchtipp:
Harald Martenstein: Es wird Nacht, Senorita. München: Bertelsmann (2024). 224 S., 22 Euro. ISBN: 978-3-570-10559-7
Redaktion: Julia Lührs