Die Schriftstellerin Jutta Reichelt, geboren 1967, aufgewachsen in Bonn, lebt seit vielen Jahren in Bremen. Als Kind wurde sie Opfer sexueller Gewalt. Darüber offen zu sprechen, ist Teil ihres Umgangs mit dem Erlebten. Dass sie darüber überhaupt sprechen kann, ist im Prinzip ein kleines Wunder: Jahrzehntelang hatte sie die Traumatisierungen, die ihr Leben geprägt hatten, komplett verdrängt und vergessen. Als es nicht mehr ging, weil irgendwann in ihrem Leben nichts mehr ging, begann ein schwieriger und auch schmerzhafter Prozess der Auseinandersetzung, den sie in ihrem Essay “Mein Leben war nicht, wie es war“ beschreibt.
“Ich habe mich auch über die Sprachlosigkeit geirrt, in der ich mich fast mein ganzes Leben lang befunden habe“, schreibt die Schriftstellerin Jutta Reichelt. Ihr Buch zeugt davon, dass so ein Prozess erfolgreich sein – und sogar so etwas wie ein glückliches Ende hat. Dadurch, dass man das Kommando übernimmt und es schafft, seine eigene Lebensgeschichte zu erzählen und zu bestimmen. Worte, um das Unsagbare zu erzählen.
Dabei geht es Jutta Reichelt letztlich um mehr als um ihre eigene Geschichte. Denn diese Unsicherheit und Unklarheit, die sie für sich verarbeitet, ist typisch für traumatisierte Menschen, und zwar nicht nur bei sexueller Gewalt und Missbrauch. Sie schreibt auch für die Menschen, die allzu oft übersehen werden, weil sie sich nicht zu Wort melden: “Sie können ihre Geschichte nicht erzählen. Nicht einmal sich selbst. Weil da nichts ist, außer einer großen Sprach- und Ratlosigkeit.“
Redaktion: Jessica Eisermann
Buchtipp
Jutta Reichelt (2024): Mein Leben war nicht, wie es war. Stuttgart: Kröner Verlag. 216 Seiten. ISBN: 9783520913012