Die Blechorgel von Rimini
Rimini, kilometerlanger weißer Sandstrand – doch nach dem Zweiten Weltkrieg erstreckte sich hier ein Lager für 150.000 deutsche Kriegsgefangene. Einer von ihnen hatte 1945 die Idee, aus dem Material vor Ort eine Kirchenorgel zu bauen, berichten Markus Harmann und Joachim Heinz.
Deutsche Kriegsgefangene bauten 1945 am Strand von Rimini eine Kirchenorgel – fünf Meter hoch, 12 Register, 502 Pfeifen. Weil Material Mangelware war, mussten die Internierten um den Orgelbaumeister Werner Renkewitz improvisieren: Sie verwendeten das Holz alter Apfelsinenkisten und das Blech der Keksdosen, auch Lederhosen und Benzinfässer kamen zum Einsatz. Tausende Gefangene, die an der Adriaküste in Zelten hausten, wohnten der Einweihung und den folgenden Orgelkonzerten bei.
Unter den Internierten in der "Enklave Rimini" war auch Kai-Uwe von Hassel, späterer Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Bundesverteidigungsminister und Bundestagspräsident. Er studierte an der lagereigenen Universität "Alma Mater Bellariensis" – benannt nach Bellaria, dem Ort des Lager-Hauptquartiers. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er: "Das ist meine einzige Universitätsausbildung geworden. Damals wurde naturgemäß über die Zukunft Europas diskutiert. In vielen Runden, in allen Ecken des Offizierslagers wurde diskutiert."
Auch Christian Schaber, der heute 100-jährig und geistig fit im Schwarzwald lebt, war 1945 Gefangener in Rimini. An die Orgel erinnert er sich gut, zwei Konzerte hörte er sich an, interessierte sich aber nach eigenem Bekunden viel mehr für die Technik als für die Musik.
Nach Auflösung des Lagers landete die Orgel in einer Kirche in Rimini, wo sie Mitte der 1960er Jahre bei einem Brand beinahe vollständig zerstört wurde. Die verkohlten Reste lagern dort noch immer. Jetzt möchte ein Organist das Instrument, das damals so vielen Menschen Hoffnung gab, rekonstruieren und als Friedensorgel an vielen Orten Europas einsetzen. Sein Ziel: 80 Jahre nach Kriegsende, am 8. Mai 2025, soll die neue alte Orgel zum ersten Mal wieder spielen.
Autoren: Markus Harmann und Joachim Heinz
Redaktion: Moritz Folk