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Buchcover: "Verdi – Roman der Oper" von Franz Werfel

Lesefrüchte

"Verdi – Roman der Oper" von Franz Werfel

Stand: 15.03.2024, 14:28 Uhr

Zu seinem 100. Geburtstag bringt der Wiener Zsolnay-Verlag jenen Weltbestseller neu heraus, der 1924 der erste Titel im Verlagsprogramm war: Franz Werfels "Verdi". Ein Künstlerroman, der in den 1920ern eine regelrechte Verdi-Renaissance einläutete.

Verdi oder Wagner? Darüber konnten sich Opern-Enthusiasten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mit religiöser Inbrunst in die Wolle kriegen. Franz Werfel gehörte eindeutig der Verdi-Fraktion an. Auf 480 Seiten hat der Wiener Schriftsteller mit Prager Wurzeln seinem Idol im Jahr 1924 ein belletristisches Denkmal gesetzt.

Dreh- und Angelpunkt der Handlung: In den Weihnachtsfeiertagen 1882 reist Giuseppe Verdi, mit einer Schaffenskrise kämpfend, nach Venedig. In der Lagunenstadt hält sich zu dieser Zeit auch Verdis Widersacher Richard Wagner auf. Der Maestro besucht das Teatro La Fenice, wo es, so will es Werfel, zu einem Zusammentreffen der beiden Jahrhundertkomponisten kommt – die sich in Wahrheit nie gesehen haben.

Sprachlich ist Werfels Roman zuweilen etwas überinstrumentiert – etwa, wenn er "weichlich gleißende Nebel" über Venedigs Kanälen wabern lässt. Aber in der Regel zügelt der Autor seinen stilkünstlerischen Einfallsreichtum, was dem 480-Seiten-Buch guttut. Warum "Verdi – Roman der Oper" im Jahr 1924 ein solcher Sensationserfolg war, dass er im deutschen Sprachraum eine regelrechte Renaissance des Komponisten initiierte, erschließt sich dem heutigen Leser, der heutigen Leserin, allerdings nicht so recht.

Werfel war ein Verdi-Kenner, keine Frage, er verstand schwungvoll und ergötzlich zu schreiben, und er war beschlagen in Musiktheorie und angewandter Venedig-Kunde. Aber wie vor hundert Jahren zündet der Roman heute nicht mehr. Wobei halt auch die Zeiten, da sich Wagnerianerinnen und Verdianer gegenseitig an die Gurgel gingen, bildlich gesprochen, längst vorbei sind. Eingefleischte Verdi-Fans allerdings werden an Werfels Romandebüt durchaus ihre Freude haben.

Eine Rezension von Günter Kaindlstorfer

Literaturangaben:
Franz Werfel: Verdi – Roman der Oper
Zsolnay Verlag, 2024
480 Seiten, 28 Euro