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Buchcover: "Vilhelms Zimmer" von Tove Ditlevsen

Lesefrüchte

"Vilhelms Zimmer" von Tove Ditlevsen

Stand: 12.11.2024, 10:57 Uhr

Wer die Streaming-Miniserie "Szenen einer Ehe" mag, ist auch mit dem letzten Roman der 1976 verstorbenen Dänin Tove Ditlevsen bestens bedient. Sehr gefühlvoll und in einer präzisen Sprache beschreibt sie die unheilvolle Beziehung von Lise und Vilhelm, die die psychisch instabile Lise völlig überfordert.

Ihren letzten Roman "Vilhelms Zimmer" hat Tove Ditlevsen vor ihrem Selbstmord 1976 geschrieben. Die bedeutende dänische Schriftstellerin verhandelt darin sehr berührend die eigene gescheiterte Ehe, ihre psychische Instabilität und die Todessehnsüchte, die sie schon in ihrer Jugend umgetrieben haben.

Hauptfigur ist Lise, eine beliebte Schriftstellerin und Ditlevsens Alter Ego. Lise erzählt teilweise selbst, dann wieder übernimmt eine unbekannte Ich-Erzählerin, die die Schriftstellerin selbst sein könnte. Sie begleitet Lise und Vilhelm und kommentiert die Ereignisse. Diese kunstvolle Struktur, die sehr präzisen, fein ziselierten Beschreibungen vor allem von Gefühlen machen "Vilhelms Zimmer" zu einem literarischen Genuß.

Lise und Vilhelm führen, was man eine toxische Beziehung nennt. Vilhelm geht notorisch fremd, hat wenig Respekt vor Lises Arbeit, ist neidisch auf ihren Erfolg und eifersüchtig auf jeden Menschen, der ihr näherkommt. Außerdem glaubt er, Männer müssten bedient werden. Und doch liebt ihn Lise. Wobei die starke körperliche Anziehung der Hauptgrund dafür ist.

Tove Ditlevsen wurde nach ihrem Tod mal als zu passiv im Kampf für Frauenrechte, mal als Feministin verstanden. "Vilhelms Zimmer" zeigt jedenfalls deutlich, wie verfestigt die gesellschaftlichen Konventionen auch in den Köpfen von Frauen noch sein können und welcher inneren Kraft es bedarf, sich dagegen aufzubäumen, wenn Gefühle im Spiel sind. Das macht "Vilhelms Zimmer" auch fünfzig Jahre nach Erscheinen noch aktuell.

Eine Rezension von Eva Karnofsky

Literaturangaben:
Tove Ditlevsen: Vilhelms Zimmer
Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein
Aufbau Verlag, 206 Seiten, 22 Euro