Es gibt ohnehin nur zwei Jahreszeiten für ihn, Sommer wie Winter ist Herr Sommer auf Achse. Mit Rucksack auf dem Rücken läuft er los in der Früh, abends kehrt er erschöpft nach Hause zurück. Wohin führen seine Wanderungen? Was ist das Ziel der endlosen Märsche? Weshalb und wozu hastet Herr Sommer zwölf, vierzehn, sechzehn Stunden am Tag durch die Gegend? Keiner wusste es.
Irgendwann aber hörten die Leute auf, sich zu wundern. Er war eben ein Einzelgänger. Der Junge, der Herrn Sommer beobachtet und seine Geschichte erzählt, hat ihn nur einmal etwas sagen hören, und dieser eine Satz war der Schlüssel zu seinem Geheimnis.
Patrick Süskind hat eine Geschichte aus der Kindheit geschrieben, aber es ist keine Kindergeschichte. Sie kommt fröhlich und unbekümmert daher, hat etwas Magisches, das einen von der ersten Seite an verzaubert. Und dennoch zieht sich etwas Melancholisches wie ein roter Faden durch das kleine Buch. Eine stille, seltsame Traurigkeit, deren Ursprung sich erst ganz am Ende erschließt. Schon 1991 in der ersten Ausgabe grandios bebildert vom legendären Jean-Jacques Sempé, der 2022 starb. Jetzt bei Diogenes noch einmal als Deluxe-Ausgabe herausgebracht. Schön!
Eine Rezension von Christine Westermann
Literaturangaben:
Patrick Süskind / Jean Jacques Sempé: Die Geschichte von Herrn Sommer
Diogenes Deluxe, 2024
116 Seiten, 14 Euro