Lesefrüchte
"Star Girl Space Boy" von Mirjam Kay Mashkour
Stand: 13.12.2024, 13:39 Uhr
Im Turbokapitalismus werden sie Power-Couples genannt. Einflussreiche Liebespaare im Zentrum der Öffentlichkeit, die die Macht haben, den Konsum anzukurbeln. Star Girl und Space Boy sind solch ein Paar. In einer nahen Zukunft, in der die Menschheit nach einer neuen Erde sucht.
Jean Roddenberry ist ein Superstar. Seit drei Jahren befindet sich die Musikikone auf Welttour und reist in Höchstgeschwindigkeit durch Staatenbünde mit Namen wie Panafrikanische Union, Südasiatische Föderation, südamerikanische Solidarität oder Eurasischen Union. Jean ist unberechenbar. Mal hyperwach, dann zu Tode betrübt oder beides zusammen. Das kommt auch auf die jeweiligen Drogen an, die sie gerade konsumiert.
Jean ist mit Thomas Victor zusammen, einem Astrobiologen, der als eigenbrötlerisch und unnahbar gilt. Sein großes Ziel ist es, als Raumfahrer einen bisher unbekannten Planeten zu erforschen und durch seine Mission einen möglichen neuen Lebensraum zu entdecken. Thomas wird von seinen Kollegen Major Tom genannt. Für seine Freundin Jean ist er der "Space Boy". Jean wiederum ist für ihn das "Star Girl".
Mirjam Kay Mashkours Roman spielt in einer Zukunft, in der Rationalismus, Konformismus, Kapitalismus und Technologieglaube die Säulen der Gesellschaft darstellen. Alles Individuelle, Emotionale und Eigenständige wird unterbunden und bestraft, wofür eine Behörde sorgt.
Die aus Aachen stammende Autorin erzählt in lockerem aber eindringlichem Ton darüber, was passiert, wenn Menschen nur für den eigenen Vorteil leben und menschlicher Zusammenhalt nichts als ein Marketing Bluff ist. "Me first" ist auch das Motto von Jean und Tom, die sich selten sehen. Sie basteln an ihren Karrieren und gehen dafür auch buchstäblich über Leichen.
Mirjam Kay Mashkours Roman "Star Girl Space Boy" ist eine spannende und mit popkulturellen Versatzstücken erzählte Dystopie. Die 1992 geborene Autorin erhielt das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium 2024 der Stadt Köln. Zum einen für dieses Romandebüt, zum anderen für die Arbeit an einem weiteren Roman namens "Arrivist", der im weitesten Sinne im Hier und Jetzt zwischen Klimaaktivismus und Hambi, Wohnungsnot und Hausbesetzerszene angesiedelt ist.
Mashkour ist gewählte Sprecherin der freien Literaturszene Aachens und Mitglied des Literaturbüros Euregio Maas-Rhein. Sie organisiert Veranstaltungen und setzt sich für bessere Bedingungen in der lokalen Subkultur ein. In dem Roman "Star Girl Space Boy" gibt es keinerlei alternative Freiräume. Mashkour wirft einen Blick in eine Science-fictionartige Zukunft, die ein Spiegel unserer Gegenwart ist. Ihre literarische Sprache schwebt dabei fast schwerelos durch die Geschichte, die von einer hochentwickelten und gleichzeitig dekadenten Gesellschaft erzählt.
Eine Rezension von Claudia Cosmo
Literaturangaben:
Mirjam Kay Mashkour: Star Girl Space Boy
Mit Illustrationen von Kristina Labs
LeeBooks, 2024
400 Seiten, 19 Euro