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Buchcover: "Die Kompromisse" von Florian Dietmaier

Lesefrüchte

"Die Kompromisse" von Florian Dietmaier

Stand: 22.03.2024, 14:32 Uhr

In seinem Debütroman räumt der österreichische Autor Florian Dietmaier mit den glamourösen Vorstellungen über den Diplomatenberuf auf. Sein Protagonist Peter, Jahrgang 1929, ist ein fiktiver Diplomat aus Wien, der in neunzehn Stationen seine Einsatzorte rund um die Welt protokolliert.

Es sind kurze, abgeschlossene Erzählungen, angefangen in kleinen und kleinsten Ländern der Erde, etwa im Inselstaat Nauru bei Australien. Später wird Peter UN-Botschafter in Genf. Doch die ständige berufliche Suche nach Kompromissen färbt auf sein Privatleben ab. Selbst in seinen Tagebüchern schreibt er nichts über sich, nur über das Wetter und die Tagespolitik.

Er heiratet die Amerikanerin Jane – um gesellschaftliche Konventionen und diplomatisches Protokoll zu wahren. Seine Liebe in jenen 1970er Jahren gehört John. Peters Verhältnis zu Jane bleibt ebenso distanziert wie das zum gemeinsamen Sohn Paul. Erst in der letzten, der 20. Station, wird deutlich, wie sehr Peter an seinem auf Kompromissen aufgebauten Leben leidet. Geschrieben hat diese Station sein Enkel David. Er liest die späten Tagebücher seines Großvaters, die sich von den frühen radikal unterscheiden. Schonungslos legt Peter darin seine Gefühle, seine Ängste offen.

Florian Dietmaiers Romandebüt ist kein einfacher Text. Die ersten Stationen wirken wie ein diplomatisches Protokoll voller Fakten. Doch je weiter wir lesen, desto eindringlicher gelingt es dem Autor, Peter aus seinem engen Korsett zu lösen: Er zeigt diesen Mann von Welt in seiner Verletzlichkeit. Macht ihn angreifbar vor Sohn und Enkel. Lässt ihn immer kritischer über die Sinnhaftigkeit seines Berufes nachdenken. Und schreibt einen Satz, der das Resümee des ganzen Romans sein könnte: "Aus ungenutzten Chancen wachsen Kompromisse."

Eine Rezension von Andrea Lieblang

Literaturangaben:
Florian Dietmaier: Die Kompromisse
Literaturverlag Droschl, 2024
152 Seiten, 22 Euro