Krimicheck
"Prima Facie" von Suzie Miller
Stand: 19.04.2024, 14:19 Uhr
Tessa Ensler gewinnt fast jeden Prozess und ihr steht eine große juristische Karriere bevor. Die junge Londoner Anwältin glaubt außerdem fest an Recht und Gerechtigkeit. Bis sie vergewaltigt wird. "Prima Facie" der Australierin Suzie Miller ist ein mitreißender Thriller über die Aufklärung eines Verbrechens.
Sympathisch kommt sie rüber, diese Tessa Ensler. Ihre alleinerziehende Mutter hat sie und ihren Bruder durch ihre Arbeit als Putzfrau durchgebracht, aber ein Stipendium ermöglichte Tessa dennoch ein Jurastudium an der Elite-Uni Cambridge. Schon als junge Anwältin geht sie fast immer als Gewinnerin aus dem Gerichtssaal. Ihr Spezialgebiet: Männer aus Missbrauchsprozessen rauszuhauen.
Auch privat läuft es gut: Aus dem Flirt mit dem attraktiven Kollegen Julian könnte mehr werden. Die intelligente Tessa, die außerdem auch noch beliebt ist, scheint unverwundbar. Die Australierin Suzie Miller, die ihre Heldin in der Ich-Form erzählen lässt, wiegt das Publikum lange in Sicherheit.
Doch dann wird die perfekte Welt jäh aus den Angeln gehoben. Tessa wird brutal vergewaltigt. Aus der starken Anwältin wird über Nacht eine von Furcht getriebene Frau, die hinter jeder Ecke einen Angreifer vermutet. Sie entschließt sich schließlich zur Anzeige und will auch vor Gericht aussagen, obwohl sie weiß, dass die Jury "Prima Facie" - also dem Anschein nach - entscheiden wird: Ihre Aussage steht gegen die des Täters.
Leserinnen und Leser treibt bei der Lektüre die Hoffnung an, dass Tessa allen Widrigkeiten zum Trotz dennoch Gerechtigkeit erfahren wird. Sie selbst zweifelt inzwischen am Rechtssystem, das sie immer vehement verteidigt hat. Suzie Miller hat mit „Prima Facie“ einen mitreißenden Gerichtsthriller geschrieben. Am Ende findet Heldin Tessa ausgerechnet da Unterstützung, wo sie es nie erwartet hätte.
Eine Rezension von Eva Karnofsky
Literaturangaben:
Suzie Miller: Prima Facie
Aus dem Englischen von Katharina Martl
Kjona Verlag, 2024
352 Seiten, 25 Euro