Buchcover: "Einige Herren sagten etwa dazu" von Nicole Seifert

Buch der Woche

"Einige Herren sagten etwa dazu" von Nicole Seifert

Stand: 22.03.2024, 14:24 Uhr

Nicole Seifert zeigt in ihrem neuen Buch, dass die Literaturelite der Nachkriegszeit keinen guten Umgang mit Frauen pflegte. In der "Gruppe 47" waren sie eher als Tanzpartnerinnen, denn als Intellektuelle gefragt. Ihre Abhandlung "Einige Herren sagten dazu" schlägt in dieselbe Kerbe wie ihr Vorgänger "Frauen Literatur – abgewertet, vergessen, wiederentdeckt".

Das Buch führte vor einigen Jahren in der Szene zu großen Diskussionen über Macht und Ohnmacht von Frauen im eher männlich geprägten Literaturbetrieb. In ihrem neuen Buch nun richtet die Verlegerin und Autorin Nicole Seifert den Blick auf die Autorinnen der Gruppe 47. Auch wenn Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger häufig miterzählt werden, wenn es um Geschichte und Bedeutung der Gruppe 47 geht, sind doch viele Frauen in Vergessenheit geraten.

Nicole Seifert schildert die Rolle der Autorinnen in der Gruppe 47 ausführlich, präzise und wissenschaftlich fundiert. Sie legt ein sehr gut lesbares Buch in einem schnörkellosen Stil vor, der ohne großes Pathos dennoch die Herren der Schöpfung mit wohl dosiertem Spott bedenkt. Vor allem, weil die sich anhand der großen Quellensammlung aus Briefen, Notizen und Jubiläumsschriften häufig selbst sehr gut entlarven. Sie geht dabei weitestgehend chronologisch vor; von der Gründungstagung 1947 bis hin zur letzten Veranstaltung 1967.

Die einzelnen Kapitel behandeln Autorinnen und ihre Rezeption bzw. deren Herabwürdigung in der Gruppe 47 bei konkreten Tagungen. Nach der Lektüre erschließt sich schnell, warum viele Autorinnen nur einmal oder wenige Male zu Gast waren. Zu abschätzig war der Ton. Das Buch ist nicht nur eine kenntnis- und aufschlussreiche Betrachtung der Gruppe 47, sondern auch ein Buch, nach dessen Lektüre die eigene Leseliste um viele Titel der genannten Autorinnen länger sein dürfte.

Nicole Seifert wirft dabei auch einen umfassenden Blick auf die Gruppe und widmet sich nicht nur ihrem Hauptthema. Zum Beispiel geht sie auch auf die heute von vielen bemängelte Aufarbeitung des Nationalsozialismus und Holocaust der Gruppe 47 ein. Es ist skandalös zu lesen, wie Kritiker und Autoren über die Autorinnen geschrieben und geredet haben.

Es bleibt wohl ein hehrer Wunsch, dass es heute ganz anders zugeht im Literaturbetrieb. Dieses Buch legt den Finger in die richtige Wunde.

Eine Rezension von Christoph Ohrem

Literaturangaben:
Nicole Seifert: Einige Herren sagten dazu. Die Autorinnen der Gruppe 47.
Kiepenheuer & Witsch, 2024
352 Seiten, 24 Euro