Hubert ist 86. Sein Leben lang war er Bademeister im Strandbad von Bregenz. Nie ist ihm ein Kind ertrunken, "einmal war es knapp, aber ertrunken ist keines." Daran erinnert er sich, aber sonst an nicht mehr viel. "Gäbe es eine Leistungsbeurteilung für Demente, wäre Hubert Klassenbester", davon ist Linda überzeugt. Linda ist 15, wohnt im selben Haus wie Hubert, kommt dreimal in der Woche am Nachmittag zum Bademeister, unterstützt die polnische Pflegekraft Ewa.
Hubert will Karotten toasten und sich mit der Zahnbürste die Haare kämmen. Er ist auf dem Rückzug und vielleicht versteht sich Linda deshalb so gut mit ihm, weil sie sich auch aus dem Leben zurückziehen möchte, obwohl sie gerade erstmal 15 ist. Hubert kann keine Pläne für die Zukunft machen. Linda will es nicht, weil sie nicht weiß, wo sie hinwill mit ihrem Leben.
Ein Buch über einen alten dementen Mann und eine junge Frau, die darüber nachdenkt, sich das Leben zu nehmen. Warum soll man sich eine so rabenschwarze Geschichte jetzt im Sommer antun? Weil sie auf jeder der 320 Seiten hell und leuchtend daherkommt, getragen von einer zarten Fröhlichkeit, von witzigen Dialogen, bei denen man in sich hineinlacht.
Die Autorin ist Krankenschwester, arbeitet mit Demenzkranken zusammen. Tag für Tag erlebt sie, wie diese Menschen ihre Erinnerungen und damit sich selbst verlieren. Wie Familien darunter leiden, Pflegende überfordert sind. Sie hatte immer ein Stück Papier, eine Serviette dabei, auf die sie Notizen kritzeln konnte. "Es gab zahlreiche Situationen", sagt sie, "in denen ich tief berührt, überrascht, begeistert war, Tränen in den Augen hatte oder schmunzeln musste".
Diese Achterbahnfahrt der Gefühle spiegelt sich perfekt in ihrem Roman wider. Sie beschreibt die großen und kleinen Dramen leicht, aber nie leichthin. Und vielleicht macht genau das die Bademeister-Geschichte so faszinierend. Während man sie liest, begreift man, dass bei all der seelischen Last und Traurigkeit, die die Demenz mit sich bringt, "die Kostbarkeit im Augenblick liegt", wie die Autorin es nennt.
Eine Rezension von Christine Westermann
Literaturangaben:
Petra Pellini: Der Bademeister ohne Himmel
Kindler Verlag, 2024
320 Seiten, 23 Euro