Buch der Woche
"Die Katze" von Monika Maron
Stand: 09.11.2024, 21:05 Uhr
Eine Schriftstellerin rettet eine streunende Katze, leider ist ihr Hund über diese Aktion überhaupt nicht begeistert. Am Ende geht es in dieser leichthändigen autobiographischen Erzählung um Leben und Tod – oder zumindest um die linke Hand der Autorin, die diese Begegnung beinahe nicht überstanden hätte.
Bonnie kennen wir schon aus dem gleichnamigen Buch von Monika Maron, in dem sie davon erzählte, wie der kleine Hund in ihr Leben trat. Wie sie ihn eigentlich nicht wollte, weil er ihr zu unscheinbar war, und wie er am Ende doch ihr Herz gewinnen konnte. Überhaupt spielen Hunde immer wieder eine große Rolle in den Romanen dieser Autorin, die allerdings auch schon einmal einen sprechenden Raben auftreten ließ.
In ihrer neuen Erzählung geht es um eine Katze. Die rettet sie gemeinsam mit ihrem Sohn vorm sicheren Verderben auf einer Landstraße. Ein ausgemergeltes Tier, das aufgepäppelt wird und liebenswürdig ist. Der kleine Hund Bonnie sieht das jedoch anders, es kommt zu einer aggressiven Gemengelage, in deren Verlauf die Katze – die ganz am Ende den Namen Emmi bekommen wird – die Ich-Erzählerin in die Hand beißt.
Die steht kurz vor dem Abflug nach Budapest, als die Hand heftig anschwillt. Für die ehemalige DDR-Bürgerin war Budapest "ein Sehnsuchtsort", und Monika Maron will auf gar keinen Fall die Lesung dort ausfallen lassen. Also reist sie mit monströs dicker Hand in die Stadt, die einst ein Versprechen auf ein anderes Leben war – und wird hier vor allem die Notaufnahmen der Krankenhäuser sehen statt in Caféhäusern zu sitzen.
Es ist eine ungeheure Begebenheit, die dieser kleinen autobiographischen Erzählung zugrunde liegt: Ein Katzenbiss und die dramatischen Folgen. Die sind auch nach der Rückkehr nach Berlin immer noch heftig, und es hätte nicht viel gefehlt, um aus der Zweihändigen eine Einhändige zu machen. In der folgenden langen Rekonvaleszenz erzählt sie allen, "was ich selbst darüber gerade gelernt hatte, dass nämlich nicht nur Bisse von streunenden Katzen, die Mäuse und anderes Getier fressen, gefährlich waren, sondern Bisse von jeder Katze, weil eben im Speichel von Katzen besonders gefährliche Bakterien leben. Ich erzählte auch von den amputierten Tierarzthänden und dass gefährlicher als Katzenbisse nur Menschenbisse sind und dass sogar Liebesbisse schon zu schweren Krankheitsverläufen geführt haben sollen."
"Die Katze" ist also auch eine engagierte Aufklärungsgeschichte. Vor allem aber ist dieser kleine Text einmal mehr ein Beweis für die Fähigkeit der Autorin in einem entspannten Parlando von den großen Geschichten in den kleinen zu erzählen: Ihr Pflichtbewusstsein, weswegen sie die Reise auch nicht absagt, gründet sich etwa in einem speziellen "Komsomolzenbewusstsein", Budapest war für die Menschen im Osten "was für Westmenschen Paris oder London oder Rom war", auf dem Flughafen denkt sie über die Uniformierung der Reisenden nach und der Katzenbiss bietet ihr nicht zuletzt den Stoff, um über das Schwerste überhaupt nachzudenken: Über den eigenen Tod.
Diese Katzen-Geschichte ist aber vor allem auch ein paradigmatisches und kluges Alterswerk. Es geht nämlich um die Lust am Streit, die die Berliner Autorin stets ausgezeichnet (und ihr auch viel Ärger und Diffamierung eingebracht) hat. Mit kluger Souveränität erklärt sie dieses Kapitel für beendet: "Ich streite mich schon länger nicht mehr. Über die üblichen Streitthemen Migration, Corona, Gender, die ganze Links-und-rechts-Front eben, ist alles gesagt, jeder kennt die Argumente des anderen auswendig."
Eine Rezension von Manuela Reichart
Literaturangaben:
Monika Maron: Die Katze. Erzählung
Hoffmann & Campe, 64 Seiten, 16 Euro