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Jochen Schimmang über "Abschied von den Diskursteilnehmern"

Autor im Gespräch

Jochen Schimmang über "Abschied von den Diskursteilnehmern"

Stand: 15.03.2024, 14:40 Uhr

In "Abschied von den Diskursteilnehmern" unternimmt Jochen Schimmang "Neue Geländegänge". Eine faszinierende Reise im Kosmos eigener und kollektiver Erinnerungen mit Aussichten auf ein altes und neues Weltverständnis.

Jochen Schimmang über "Abschied von den Diskursteilnehmern"

WDR 5 Bücher - Autoren im Gespräch 16.03.2024 11:39 Min. Verfügbar bis 15.03.2025 WDR 5


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Der schön gestaltete Band erscheint zum 50. Verlagsjubiläum der Edition Nautilus und erzählt auch von der Quintessenz 50 Jahre Schimmangschen Schreibens. Und die stimmige literarische Form, sich über das eigene Leben, den Zustand der Welt und die historische Dynamik ihrer Entstehung zu äußern, findet der Autor frei nach Roland Barthes im Versuch, einen Diskurs zu halten „…dessen Instanz weder politisch, noch religiös, noch wissenschaftlich ist; der gewissermaßen das Übrigbleibende und der Zusatz aller dieser Aussagen wäre."

Dies Übrigbleibende gestaltet Schimmang erzählerisch oder fiktiv mit Genauigkeit in der Form, sprachlich brillant, mit Humor und pointierten Reflexionen. Zum Beispiel die Geschichte des heimischen Marktplatzes von der Weide, dem Pferdemarkt, Exerzierplatz Hindenburgs oder der SA, Volksfesten zu Willi Brands Wahlkampfrede, dem Public Viewing vom Sommermärchen bis zum heutigen Parkplatz außerhalb der Markttage. Mal lässt sich der Erzähler von der Malerei eines Vermeer verzaubern, mal verschwindet er dezent aus dem Leben anderer.

Analysen, Traumnotate, Betrachtungen und Aperçus, punktuell mit Zitaten angereichert, lassen auch Platz für Kurz-Novellen: etwa die wechselhafte Geschichte von Horst Mahler oder eine höchst amüsante KI-Novelle über die vermeintlichen Werdegänge des preisgekrönten Schriftstellers. Wörter schimmern wie "Lesezeichen", die nichts anderes sind als die Bleistiftspuren in eigenen Büchern, die man verwundert über die frühere Lesart betrachtet.

Natürlich trägt eine Abschiedsbewegung auch melancholische Züge. Die Zukunft sei seine Sache nicht, behauptet der Autor und hofft zugleich, dass die Erde das Anthropozän überlebt. Es ist ein großes Vergnügen, den klugen Tiefenbohrungen zu folgen. Den überraschenden Gedankengängen und Bekenntnissen, den blitzenden Pointen im Sog der Schimmangsprache mit ihren glücklichen Wörtern eines verzauberten Voyeurs. Wohl dem, der sich erinnert – das ist die Lust am Text!

Eine Rezension von Bettina Hesse

Literaturangaben:
Jochen Schimmang: Abschied von den Diskursteilnehmern. Neue Geländegänge
Edition Nautilus, 2024
120 Seiten, 20 Euro