Aktuelle Lyrik
"Nachwasser" von Frieda Paris
Stand: 07.06.2024, 13:11 Uhr
Oft beginne Alles mit einer kleinen Notiz, die in der Manteltasche verschwinde und danach am "Schneidetisch" wieder auftaucht, sagt Frieda Paris. So nennt die Autorin ihren Schreibtisch, an dem ihr Lyrikdebüt "Nachwasser" entstanden ist.
Das Langgedicht umfasst über 130 Seiten und ergibt letztendlich ein großes Ganzes. Die 1986 in Ulm geborene Frieda Paris bezeichnet sich selbst als Schreibende, die sich einen sprechenden Vogel auf die Schulter setzt, der der Autorin wie ein wohlwollendes Korrektiv freundschaftlich über die Schulter schaut und sich als ein Verweis auf die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann deuten läßt.
Als interessante künstlerische Selbsthinterfragung angelegt, stellt "Nachwasser" literarisch essentielle Fragen: Was macht ein Langgedicht aus und was darf ein Gedicht sein? Paris findet rasch die Antwort: Alles! In ihren Augen sind Gedichte ein freies Terrain, das man jedoch behutsam bespielen muss. Die Leserinnen und Leser können diese "poetischen Spielfelder" jederzeit verlassen und wieder einsteigen, schreibt Frieda Paris. Es scheint so, als ob sich Paris damit auch selbst einen Ausstieg aus ihrem eigenen Schaffen ermöglichen wollte, wenn ihr alles zu viel wird.
In "Nachwasser" begegnet man auch Versatzstücken unterschiedlicher Biographien und Schnipseln literarischer Werke. Frieda Paris mixt ihre eigene poetische Welt mit den privaten Aufzeichnungen von Marilyn Monroe oder arbeitet mit Verweisen auf Schriftstellergrößen wie Sarah Kirsch, Elke Erb, Paul Celan, Hilde Domin, Walter Höllerer oder der Gegenwartsautorin Silke Scheuermann.
Den größten Bezugspunkt hat Frieda Paris zur 2021 verstorbenen Lyrikerin Friederike Mayröcker, im Gedichtband monumental als "Wortmutter" bezeichnet. An ihrem literarischen Schneidetisch widmet sich Frieda Paris für "Nachwasser" auch Mayröckers Archiv, das viele Kisten voller Zettel – meist Rechnungen und Kassenbons – umfasst. In ihrem Band beschreibt Paris die Zettel mit dem Kürzel "R", wobei R für Rückseite steht, die Verborgenes zu Tage bringen kann. Und so zieht einen das Langgedicht "Nachwasser" von Frieda Paris in seine Wortwelt hinein, die sich wie die Federkrone eines Pfaus vor den Leserinnen und Lesern in aller Schönheit ausbreitet.
Eine Rezension von Claudia Cosmo
Literaturangaben:
Frieda Paris: Nachwasser
Verlag Voland & Quist, 2024
136 Seiten, 22 Euro