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"Seit heute, aber für immer" von Christine Lavant
Stand: 02.02.2024, 15:39 Uhr
Gedichte von Christine Lavant, der herausragenden Dichterin aus Österreich, sind in einer neuen Ausgabe veröffentlicht, deren Zusammenstellung die deutsche Schriftstellerin und Theaterregisseurin Jenny Erpenbeck vorgenommen und mit einem Nachwort versehen hat.
Christine Lavant ist in vielerlei Hinsicht eine außergewöhnliche Schriftstellerin. 1915 wurde sie als neuntes Kind einer Schneiderin und eines Bergmanns geboren. Die familiären Verhältnisse waren äußerst arm in Kärnten im Lavanttal, wo sie aufwuchs.
Als Christine Lavant mit 14 Jahren die Volksschule verließ, war sie eigentlich schon gezeichnet für ihr Leben. Denn früh litt sie unter diversen Krankheiten, hauptsächlich Tuberkulosen, die sie mit Blind- und Taubheit bedrohten. Krankenhaus- und Psychatrieaufenthalte sollten sie fortan ihr ganzes Leben begleiten.
Zumindest ergab sich in dem Kontext die Bekanntschaft mit einem behandelnden Arzt, der der Autodidaktin Kontakte zu Verlagen herstellte, u. a. zum Brentano Verlag in Stuttgart, wo 1948 ihre erste Erzählung "Das Kind" erschien.
Ein umfangreiches Werk mit mehr als 1700 Gedichten und 1200 Seiten Prosa hat Christine Lavant bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhundert geschrieben. Mittlerweile dürften so ziemlich alle inklusive derer aus dem Nachlass veröffentlich sein.
Jenny Erpenbeck hat ihre eigene Auswahl für den Band "Seit heute, aber für immer" getroffen, an dessen Anfang sie die frühen Gedichte von Lavant gestellt hat, die sich, so Erpenbeck, auf "Lavants Kindheit und Jugend, auf ihre allgemeinen Lebensumstände, den Aufenthalt in der 'Landesirrenanstalt' Klagenfurt und ihr Schreiben selbst beziehen".
Die Gedichte die folgen, sind Arbeiten, in denen Christine Lavant sich mit dem Thema Glück und der Liebe auseinandersetzt. Wobei sich das Thema Liebe zunehmend verdunkelt durch ihre leidenschaftliche und problematische Zuneigung zu dem Künstler Werner Berg, der wie Christine Lavant anderweitig verheiratet ist.
Schmerz und Verzweiflung ziehen so mehr und mehr in ihre Lyrik ein und am Ende der Auswahl von Jenny Erpenbeck stehen Gedichte wie "Mein Schlaf ist ins Wasser gegangen" oder "Ich will vom Leiden endlich alles wissen". Gedichte, die die tief empfundene Einsamkeit und zunehmende Todesahnung der Christine Lavant reflektieren.
Christine Lavants Lyrik ist starke existenzialistische Dichtung, geboren aus dem Unglücklichsein und formuliert gegen die Widrigkeiten des Lebens. Es ist schmerzhafte Lyrik, die starke Bilder bereithält und tief ins Fleisch schneidet. Außerordentlich berührend.
Eine Rezension von Matthias Ehlers
Literaturangaben:
Christine Lavant: Seit heute, aber für immer. Gedichte
Ausgewählt und mit einem Nachwort von Jenny Erpenbeck
Wallstein Verlag, 2023
161 Seiten, 24 Euro