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Buchcover: "Dichten gegen das Vergessen. Lyrikerinnen aus zwei Jahrtausenden" von Denise Buser

Aktuelle Lyrik

"Dichten gegen das Vergessen. Lyrikerinnen aus zwei Jahrtausenden" von Denise Buser

Stand: 01.03.2024, 14:25 Uhr

Ignoriert, missachtet und selten im Kanon der Weltliteratur zu finden. Die Schweizerin Denise Buser rettet in ihren Literaturgeschichten begrabene Dichterinnen vor dem Vergessen.

Die ehemalige Strafrichterin und Professorin für kantonales öffentliches Recht in der Schweiz, verfasst wissenschaftliche Texte, Kulturreportagen und schreibt Belletristik sowie Lyrik. In "Dichten gegen das Vergessen" hat sie sich durch zwei Jahrtausende Lyrik gegraben und ist am Ende mit zwölf Lyrikerinnen wieder aufgetaucht.

Im Vorwort schreibt sie: "Alle zwölf Dichterinnen und ihre Urmutter aus Lesbos sind durch die Ungewöhnlichkeit ihrer Biografien miteinander verbunden. Berührt und geleitet hat mich auch, welch große Bedeutung sie der Lyrik in ihrem Leben einräumten. Oft mussten sie diese Entscheidung gegen gesellschaftliche Konventionen, joviales Belächeltwerden oder sogar in einem lebensbedrohlichen Kontext durchsetzen."

Denise Buser fängt an bei Sappho, der "Urmutter aus Lesbos", kommt dann zu Al-Khansa, einer arabischen Dichterin aus dem 7. Jahrhundert und weiter zu einer frühen, sogenannten Trobairitz (weibl. Pendant zu Troubador), der Comtessa Beatriz de Dia.

Über die Renaissancedichterin Vittoria Colonna geht es dann durch die Jahrhunderte mit Sibylla Schwarz und Anna Louisa Karsch bis in die Neuzeit mit der Japanerin Akiko Yosana, der chilenischen Nobelpreisträgerin Gabriela Mistral und der deutschen Jüdin Gertud Kolmar, die von den Nazis in Auschwitz ermordet wurde.

Helene Bossart, eine schweizerische Mundartdichterin, die US amerikanische "Hippie-Dichterin" Lenore Kandel, die lesbische schwarze amerikanische Dichterin und Aktivistin Audre Lorde sowie die Argentinierin Alejendra Pizarnik machen den Buser-Reigen komplett. In ihrer außergewöhnlich bemerkenswerten Literaturgeschichte geht Denise Buser tief in die Biografien der einzelnen Dichterinnen ein und scheibt, gut fundiert u.a. durch Sekundärliteratur, zu jeder Lyrikerin eine fiktionale Erzählung.

Hier gibt es also keine konventionellen, üblichen literarischen Abhandlungen zu Leben, Werk und Wirkung der einzelnen Autorinnen zu lesen, sondern Geschichten, die uns mitten ins Leben der Dichterinnen führen. Ein Beispiel, pars pro toto, ist die Erzählung zu der Renaissancedichterin Vittoria Colonna, die zeitlebens eine enge Beziehung zu Michelangelo hatte.

Diese Erzählung besteht aus den Erinnerungen eines erfundenen Protokollanten von San Silvestro, der die Geschichte von Colonna und dem Renaissance-Genie widergibt. Dabei stützt sich Denise Buser, wie in den anderen Geschichten auch, auf eine Vielzahl von empirischen Daten, die sie zusammengetragen hat. Denise Buser schafft es, Leserin und Leser unmittelbar und sehr effektiv in die oft äußerst prekäre Lebenswirklichkeit der einzelnen Dichterinnen mitzunehmen.

"Dichten gegen das Vergessen" ist ein hochinteressantes Buch mit plausiblen Geschichten zu zwölf Dichterinnen und ihrer Lyrik, die es mehr als verdient haben, nicht vergessen zu werden.

Eine Rezension von Matthias Ehlers

Literaturangaben:
Denise Buser: Dichten gegen das Vergessen. Lyrikerinnen aus zwei Jahrtausenden Zytglogge Verlag, 2023
264 Seiten, 29 Euro