Buchcover: "Try Praying. Gedichte gegen den Weltuntergang" von Sibylle Berg

Aktuelle Lyrik

"Try Praying. Gedichte gegen den Weltuntergang" von Sibylle Berg

Stand: 11.10.2024, 14:31 Uhr

Sibylle Berg veröffentlicht erstmals einen Gedichtband. Dabei widmet sie sich in gewohnt sarkastischem und bissig-witzigen Ton Künstlicher Intelligenz, ihrer Wahlheimat Schweiz und dem Menschsein. Ein bitterböser Lese-Spaß! Kathrin Baumhöfer liest daraus "Ein Firmenparty-Gedicht".

Sibylle Berg ist vor allem für ihre Romane und Theaterstücke bekannt. Aber auch Essays, Kolumnen, Hörspiele und Kurzprosa zählen zum Werk der Autorin. Dazu gesellt sich jetzt erstmals ein Lyrikband. Unter dem Titel "Try Praying. Gedichte gegen den Weltuntergang" versammelt Sibylle Berg 40 Gedichte plus einen "Hidden Track". Dafür hat sie sich zum wiederholten Mal mit dem Künstler und Autor Claus Richter zusammengetan, der ihre Gedichte mit Vignetten bebildert.

Leser*innen, die mit den Berg’schen Texten vertraut sind, dürfte hier die ein oder andere Zeile bekannt vorkommen. In diesen Gedichten widmet sich Sibylle Berg einer Vielzahl an Themen - dem Guten und dem Bösen, Künstlicher Intelligenz sowie ihrer Wahlheimat, der Schweiz. Vor allem aber dem Menschsein, mit allem, was dazu gehört: Verliebt sein, Einsamkeit, Arbeit, Altern und Sonntage.

Die Figuren, die ihre Gedichte bewohnen, sind dabei eher Platzhalter für menschliche Erfahrungen in der westlichen Welt als individuelle Charaktere. So wird beispielsweise im ersten Gedicht aus Frau Müller plötzlich Frau Meier und ein anderes mit dem Titel "Ein Meta-Mitarbeiter-Gedicht" kann genauso gut "auch auf Alphabet, Spotify, alles mit Cloudkapital angewendet werden", wie es im Untertitel heißt.

Gemeinsam ist ihnen dabei immer ein gewisses Maß an Naivität sowie Hoffnungs- und Rettungslosigkeit. Das kennen wir von Sibylle Berg. Genau wie ihren sarkastischen und bissig-witzigen Sound, der sich auch in die Zeilen ihrer Gedichte schleicht. Durch diesen mitunter harten Ton, schimmert aber immer wieder auch eine subtile Form des Mitgefühls für ihre Figuren und deren Schicksale durch.

Was setzt Berg also dem Weltuntergang entgegen? Es ist ihr grotesker Humor, der mal zum Lachen bringt und mal wütend macht, aber immer zum Nachdenken anregt und der zeitweise sogar etwas Tröstendes hat. "Try Praying. Gedichte gegen den Weltuntergang" ist ein bitterböser Lese-Spaß und eine echte Empfehlung.

Eine Rezension von Amanda Andreas

Literaturangaben:
Sibylle Berg: Try Praying. Gedichte gegen den Weltuntergang
Kiepenheuer & Witsch, 2024
112 Seiten, 16 Euro