Der 1959 geborene Heinrich Detering ist habilitierter Literaturwissenschaftler, und Übersetzer, hat über Thomas Mann geschrieben und über Bob Dylan, war Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, hat eine Abhandlung über die Sprache der parlamentarischen Rechten verfasst und über Annette von Droste-Hülshoff geschrieben, die er als Pionierin ökologischen Denkens sieht.
Und das ist nicht annähernd alles, was der Mann bisher hervorgebracht hat. Dazu ist er ein sehr guter Lyriker, der diverse Gedichtbände geschrieben hat. "An der Nachtwand" hat Heinrich Detering sein jüngstes Buch genannt und es ist die Nachtwand des Nachtwandlers. Und so wandeln Leserin und Leser auf den Spuren des Dichters "nach Troja", durch "Wordsworth Garten" oder halten an der "Tankstelle bei Verdun".
Es sind fein gearbeitete Gedichte, die nachvollziehbare Metaphern und Bilder transportieren und eine Fülle von Verweisen bergen, auch auf die Bibel, was in der zeitgenössischen Lyrik selten der Fall ist.
Was die geschichtlichen Anspielungen anbetrifft, die Heinrich Detering in seinen Texten verarbeitet, darüber hat Hans Magnus Enzensberger treffend gesagt, ein Bild aus dem Karambolagebillard bemühend, Detering tue das in einer "Diskretion, mit der historische Dimensionen gewissermaßen über Bande angespielt werden".
Die Gedichte von Heinrich Detering sind leise und sanft im Ausdruck, wirken dafür aber umso mächtiger im Tiefenraum der menschlichen Seele. "An der Nachtwand" ist das Meisterwerk eines Dichters, der mit seinen traumwandlerisch sicheren Formulierungen den Dingen zwischen Himmel und Erde auf den Grund geht.
Eine Rezension von Matthias Ehlers
Literaturangaben:
Heinrich Detering: An der Nachtwand
Wallstein Verlag, 2023
95 Seiten, 22 Euro
