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27.07.2019 – Wagner, „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen

Stand: 27.07.2019, 13:50 Uhr

Bei der Wiederaufnahme von „Lohengrin“ wurden die wichtigen Rollen neu besetzt. Der erfahrenste und für viele Wagnerianer beste Lohengrin Klaus Florian Vogt ersetzte Piotr Beczała, Camilla Nylund kam für Anja Harteros als Elsa, Elena Pankratova ersetzte die legendäre Waltraud Meier, die letztes Jahr als Ortrud ihnen Bayreuth-Abschied gegeben hatte.

Nur Tomasz Konieczny als Telramund und Georg Zeppenfeld als König Heinrich waren auch schon letztes Jahr dabei. Zeppenfeld hatte die Rolle schon in der Vorgänger-Inszenierung von Hans Neuenfels mit den lustigen Ratten-Kostümen gesungen, einer Inszenierung, der man immer noch nachtrauert, weil man sich zur Zeit mit den steifen Personenarrangements abplagen muss, die der Regisseur Yuval Sharon vor die blauen Bilderwelten des Leipziger Malers Neo Rauch platziert hat. Zeppenfeld gab bei Neuenfels einen verunsicherten, rastlos und ratlos umher streifenden König, jetzt steht er meist – wie alle anderen – puppenartig da. Das tat seiner klaren Gesangsdiktion natürlich keinen Abbruch. Sein sonorer Bass strahlt auf jeder Bühne.

Tomasz Konieczny hat seine Rolle weiterentwickelt, hat dem Telramund mehr Präsenz gegeben. Er ist nun ein echter Gegenspieler zu Lohengrin. Er kann gewaltig aufbegehren, als er – schon als Geächteter – noch einmal Lohengrin anklagt: „Wer ist er, der an's Land geschwommen, gezogen von einem wilden Schwan?“. Er kann aber auch einen reflektierenden Ton anschlagen, wenn er grübelt: „So zieht das Unheil in dies Haus!“, nachdem Ortrud das Gift des Zweifelns bei Elsa gesät hat.

Elena Pankratova als Ortrud in „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen 2019

Elena Pankratova als Ortrud in „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen 2019

Elena Pankratova, die in Bayreuth im Augenblick auch die Rolle der Kundry im „Parsifal“ singt und dort ein überaus facettenreiches Frauenporträt entwickelt hat, ist in „Lohengrin“ die böse Figur schlechthin, bis zum Schluss, Lohengrin hat sich schon mit sanften Tönen verabschiedet, als sie mit mächtigem Organ triumphierend gesteht, dass sie Elsa Bruder verzaubert hat. Mit ihrem druckvollen, schneidenden, aber immer klar fokussierten Gesang, ist Ortrud bei ihr so etwas wie Antriebsmaschine der ganzen Handlung. Das ist auch nötig, da die Inszenierung von Yuval Sharon keine szenischen Energiefelder freilegt.

Der Tenor von Klaus Florian Vogt schwebt über allem. Nicht erst in der Gralserzählung, wo er von dem „lichten Tempel“ berichtet, von dem er kommt, hat sein Gesang eine Luftigkeit und Entrücktheit. Dieser klare, fast unwirkliche Stimmstrom ist sein Markenzeichen. Manche Wagnerianer mögen mehr diesseitige Emotionalität, wie sie Piotr Beczała letztes Jahr seiner an der italienischen Oper geschulten Gesangsweise gezeigt hat. Aber trotzdem ist Klaus Florian Vogt der Lohengrin unserer Tage.

Wagner selbst mutmaßte einmal, dass die Rolle der Elsa die eigentliche Hauptrolle der Oper sei. Camilla Nylund konnte das aber nicht einlösen. Ihre Stimme war zu wacklig, klang gar blechern. So wurde das lange Duett mit Lohengrin im dritten Akt, wo sie am Ende die verbotene Frage nach seiner Herkunft stellt, ein riskanter Balanceakt, weil sie dem klar artikulierenden Klaus Florian Vogt stimmlich nichts entgegnen konnte.

Bei den zahlreichen Chorpartien im „Lohengrin“ waren es diesmal die leisen Stellen, bei denen Christian Thielemann zusammen mit dem Orchester geheimnisvolle Klanggemälde schuf, etwa bei „Welch ein Geheimnis muss der Held bewahren?“. Da breitete sich im Festspielhaus für einen Moment reinster musikalischer Impressionismus aus.

Thielemann konnte auch heiter und dabei zugleich zart musizieren. Der Hochzeitsmarsch war fein austariert, sauber artikuliert, tänzerisch angelegt, dass er klang wie ein ehrlich gemeintes Hochzeitsgeschenk junger Frauen. Dagegen das Vorspiel zum ersten Aufzug: ein elementar einfaches Tongeflecht, das sich allmählich mit geradezu elektrischer Ladung auflud, bei dem aber in der Mitte der Musik die Energie nicht donnernd verpuffte, sondern genutzt wurde, um einem breiten wohligen Musikstrom zu gestalten. Thielemann kennt die Partitur in- und auswendig, und er kennt das Festspielhaus, weiß die musikalischen Parameter zu gewichten, förderte und forderte die Sänger auf der Bühne, ganz anders als tags zuvor Valery Gergiev bei seinem verunglückten „Tannhäuser“-Dirigat. Und die Musiker danken es ihm. Wenn man sie in der Pause trifft, kommen sie geradezu ins Schwärmen.

Premiere der Wiederaufnahme: 26.0/.2019

Besetzung:
König Heinrich: Georg Zeppenfeld
Lohengrin: Klaus Florian Vogt
Elsa von Brabant: Camilla Nylund
Friedrich von Telramund: Tomasz Konieczny
Ortrud: Elena Pankratova
Der Heerufer des Königs: Egils Silins
Die vier Edlen: Michael Gniffke, Tansel Akzeybek, Marek Reichert, Timo Riihonen

Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele

Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Inszenierung: Yuval Sharon
Bühne und Kostüme: Neo Rauch und Rosa Loy
Licht: Reinhard Traub
Choreinstudierung: Eberhard Friedrich