3. Aufzug der „Walküre“ an der Deutschen Oper am Rhein

01.04.2018 – Wagner, "Die Walküre" in Düsseldorf

Stand: 01.04.2018, 13:50 Uhr

Oper bedeutet doch, Sänger zu erleben, die sich in Töne hineinsteigern, sich durch ihre Stimme entäußern und so ein Drama vermitteln. Manchmal, wenn man glaubt, einen solchen ausdrucksvollen und intensiven Gesang zu vernehmen, sind es aber die Klänge aus dem Orchester, die uns als Zuhörer beseelen. Das ist schwer zu fassen, aber bei der Aufführung von Wagners "Walküre" in Düsseldorf konnte man das analysieren.

Es war übrigens eine großartige Aufführung, die alles hatte, was das Wagner-Herz begehrt: einer strömender satter Orchesterklang, ein Vollblut-Sängerensemble mit Hang zur Emphase wie zum differenzieren Spiel und eine Szene, die die Personen in den Mittelpunkt rückte, nicht die Dramaturgie.

Aber noch einmal zu dem Mit- und Nebeneinander von Orchester und Sänger: es gab in dieser Aufführung mit Corby Welch als Siegmund, mit Simon Neal als Wotan und Sami Luttinen als Hunding drei männliche Protagnisten, die mehr aus der Darstellung als aus der Fülle des klanglichen Wohllauts und der stimmlichen Kraft agierten, und drei Frauen, Linda Watson als Brünnhilde, Elisabet Strid als Sieglinde, und Renée Morloc als Fricka, deren Gesang dagegen ganz aus der stimmlichen Physis und ekstatischen Kraft in eine dramatischen Entäußerung mündete.

Frickas "Wirfst du zu Füßen dein Weib" formte Renée Morloc von innen heraus mit Wellen der Empörung und nicht von der Moralkanzel herab als Hüterin der Ehe. Oder Elisabet Strid, die uns die Sieglinde als eine dem Wahn verfallene ganz in ihrer Entäußerung aufgehende Person vorführte. Schließlich Linda Watson als souveräne Brünnhilde, die Wotan Paroli bietet, was man vor allem dem fast schon dunkel bronzenen , dann wieder schneidenden Klang ihrer Stimme entnahm.

Bei den Männern hingegen war es eher ein kluges Agieren auf der Bühne. Corby Welchs Wälse–Rufe waren nachdenkliche Zweifel, keine Schreie und "Winterstürme wichen dem Wonnemond" ein bedächtiges Lied wie von Schubert; beide Stellen auch ein Reagieren darauf, dass seiner Stimme Durchschlagskraft und metallene Schärfe fehlt. Ebenso bei Simon Neals Wotan. Seine große Lebensgeschichte im zweiten Aufzug Akt erlebte man als ein resignatives Erzählen, das zwar von Reflexionstiefe durchzogen war, die aber nicht klang wie die Töne eines Gottes. Das passte gut zur Deutung des Regisseurs Dietrich W. Hilsdorf. Wotan ist bei ihm keine Respektsperson sondern, Schatten seiner selbst.

Axel Kober hat die verschiedenen stimmlichen Verfassungen seiner Sänger gut erkannt. Bei den Frauen befeuerte er, drängte und steigerte das Orchester, bei den Männern kommentierte er: Wotans Rede war eingekleidet in ein dumpfes, unruhiges Grummeln, ein Kolorieren mit Klangfarben als Methode der dramatischen Verdeutlichung. Bei Siegmund ein kammermusikalisches, lyrischen Fließen. Was nicht heißt, dass das Geflecht der unzähligen Leitmotive nicht mehr erkennbar war, im Gegenteil: Farbe und Zeichnung, beides war da.

In den Zwischen- und Vorspielen ließ Kober sich die Chance nicht entgehen, musikantisch drauf los zu musizieren, etwa im Walkürenritt, der wie ein Volksmusikstück daher kam oder das Vorspiel zum zweiten Aufzug wie eine repräsentative Musik, die ein Fest eröffnet, das der Regisseur auch sogleich zeigt, wenn der Vorhang aufgeht.

Dietrich W. Hilsdorf, der Regie-Beserker der vergangenen Jahrzehnte, hat diese „Walküre“ nicht mit dramaturgischen Accessoires überfrachtet, sondern sich auf eine kluge psychologische Personenführung konzentriert. Viel mehr als ein schrottreifer Helikopter, mit dem Francis Ford Coppolas Film „Apocalypse now“ zitiert wird, wird von außen in diese Inszenierung nicht hinzugesetzt. Dafür viele interessante Details. Um nur zwei zu nennen: Der zweite Aufzug ist keine langatmige Konversation zwischen Wotan, Fricka und Brünnhilde mehr, sondern eine Festgesellschaft, bei der Hunding, Siegmund, und eine im sechsten Monat schwangere Sieglinde anwesend sind. Man versteht die endlosen Debatten nun auf einmal als eine prekäre Familienkonstellation. Oder das schaurige Bild, das beim Walkürenritt gezeichnet wird, wenn zwischen den repräsentativ rot gekleideten Amazonen bleiche, untote Soldaten umherschleichen, die angeblich Helden in Walhall darstellen sollen.

Dieser zweite Teil des Düsseldorfers "Ring des Nibelungen" stimmt erwartungsvoll auf "Siegfried" und "Götterdämmerung", die noch in dieser Spielzeit folgen.

Premiere: 28.01.2018, besuchte Vorstellung: 31.03.2018

Besetzung:
Siegmund: Corby Welch
Hunding: Sami Luttinen
Wotan: Simon Neal
Sieglinde: Elisabet Strid
Brünnhilde: Linda Watson
Fricka: Renée Morloc

Düsseldorfer Symphoniker

Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Dietrich W. Hilsdorf
Mitarbeit Regie: Dorian Dreher
Bühne: Dieter Richter
Kostüme: Renate Schmitzer
Licht: Volker Weinhart
Dramaturgie: Bernhard F. Loges