15.09.2019 - Verdi, „Nabucco“ in Ljubljana
Stand: 15.09.2019, 12:25 Uhr
Die slowenische Nationaloper in Ljubljana spielt in einem schönen Theater aus dem Jahr 1892 im Neorenaissance-Stil mit 500 Plätzen. Dort ist auch das Nationalballett beheimatet. Die Oper hat in der neuen Spielzeit 2019/20 15 Stücke im Programm, darunter 4 Premieren. Im Ballett sind es 7 Stücke mit 2 Premieren. Das ist ein erstaunliches Pensum für das Opernhaus einer 280.000 Einwohner-Stadt, selbst wenn es die Hauptstadt eines Landes ist. In Slowenien gibt es Oper nur hier und im 130km entfernten Maribor im Osten des Landes.
Man darf von der Oper in Ljubljana nicht erwarten, dass dort die Elite der europäischen Regisseure inszeniert und die Sänger heute hier und morgen in New York oder München gastieren. Aber das ist auch in einem kleinen deutschen Stadttheater wie Münster, Aachen oder Bielefeld nicht der Fall.
"Nabucco" ist eine Wiederaufnahme aus dem Jahr 2012. Bei der besuchten Aufführung gefiel zunächst das Orchester unter Gianluca Marcianò, wie es die Ouvertüre in einem gemessenen aber von innerer Spannung durchzogenen Tempo spielte, dann später auch der Chor, der das berühmte "Va, pensiero" im Piano und fast im Klageton sang, nur leicht angestachelt durch die wellenden Begleitfiguren des Orchesters.
Die Aufführung wirkt durch das reduzierte Bühnenbild sehr aufgeräumt. Es besteht nur aus zwei Säulen rechts und links und in der Mitte ein angedeuteter Thron, dahinter eine Art Weltkugel aus Stahldrähten. Stimmung erzeugte das Licht, das das Mobiliar mal in Glanz und Prunk tauchte, mal in blau-düstere Unheimlichkeit. In dieser stilisierten Umgebung treten die Figuren in opulenten modernen Kostümen auf, Abigaille als resolute Frau in rotem Mantel, enger roter Hose, Bustier und schwarzen Stiefeln, später, als sie sich als Herrscherin wähnt, in förmlicher Eleganz. Nabucco hat denselben Militärmantel an und Ismaele eine sandfarbene Ausgehuniform. Nur der Hohepriester wirkte ein wenig zottelig.
Szene aus: „Nabucco“ von Verdi am Slowenischen Nationaltheater Ljubljana
Der Kroate Ivica Čikeš als Gast singt ihn meist dröhnend, was eigentlich erst im 3. Akt, als er den Untergang Babylons prophezeit, gut gepasst hat.
Der lyrisch-dramatische Universal-Tenor der Oper in Ljubljana ist seit 36 Jahren Branko Robinšak. Er hat dort vom Tamino über Don José, vom Duca bis Otello alles gesungen. Mit seinen 63 Jahren verfügt er noch über eine erstaunlich bewegliche, aber nicht mehr gerade jugendliche Tenorstimme. So richtig nahm man ihm deswegen den eifernden Liebhaber Ismaele nicht ab. Aber gesanglich gab es nichts zu mäkeln.
Branko Robinšak ist zugleich auch der künstlerische Leiter der Oper Ljubljana und verantwortet in dieser Funktion wohl den gesamten Spielplan, der als Premieren "Zauberflöte", "Luisa Miller", "Cavalleria rusticana" / "Pagliacci" und Tschaikowskys "Jungfrau von Orléans" bereithält. Und als eine der vielen Wiederaufnahmen die erste (und nicht einzige) Oper in slowenischer Sprache: "Gorenjski Slavček", zu deutsch: "Die Oberkrainer Nachtigall" von Anton Foerster aus dem Jahr 1896, ein Stück, das zunächst als Operette herauskam und in dem slowenische Volksmelodien verarbeitet werden.
Slowenisches Nationaltheater Ljubljana
Weiteres Ensemblemitglied in Ljubljana ist der Bariton Marko Kobal in der Titelrolle. Er wirkte am Anfang, wenn er sich zum Gott aufschwingt, etwas schmächtig. Seinen großen Auftritt hat er mit "Dio gegli Ebrei, perdono" - "Gott der Hebräer, Erbarmen". Seine innere Aufruhr aus Verzweiflung gepaart mit neuer Willensstärke, legt Kobal in den bebenden Klang seiner Baritonstimme, als er seine Tochter Fenema auf dem Weg zur Hinrichtung sieht, die von der Mezzosopranistin Elena Dobravec ein wenig konturenlos dargestellt wurde.
Als Gast war auch die serbische Sängerin Dragana Radaković als Abgaille engagiert. Sie hat die schwerste Partie, und man hört unweigerlich immer die großen Sängerinnen wie Maria Callas oder Renata Scotto in deren Paraderollen mit. Radaković fügte der Rolle zwar keine neuen Deutungen hinzu, bewegte sich aber souverän durch die gewaltig ausgespreizten Stimmregister, was aber immer ein wenig wie ein Parforceritt wirkte.
Sie war an diesem Abend die Einzige, die in der Minimalregie von Detlef Soelter Darstellungswillen und das Interesse, die Rolle auch spielerisch auszuformen, erkennen ließ.
Besuchte Vorstellung: 14.09.2019, Premiere: 02.02.2012
Besetzung:
Nabucco: Marko Kobal
Ismaele: Branko Robinšak
Zaccaria: Ivica Čikeš
Abigaille: Dragana Radaković
Fenena: Elena Dobravec
Hoher Priester des Baal: Zoran Potočan
Abdallo: Rusmir Redžić
Anna: Sandra Vidovič Mlakar
Chor und Orchester der Slowenischen Nationaltheaters Ljubljana
Musikalische Leitung: Gianluca Marcianò
Inszenierung und Bühne: Detlef Soelter
Kostüme: Bernd Leistner, Leo Kulaš
Licht: Andrej Hajdinjak
Chor: Željka Ulčnik Remic
Dramaturgie: Tatjana Ažman